Aktuell: Interview mit dem Digitalradio Büro Deutschland
Mehr als besseres Radio: DAB+ mit neuem ASA-Warnsystem
25. Juli 2025

Das Digitalradio erfreut sich in Deutschland einer immer größer werdenden Beliebtheit; aus diesem Grund haben erste Sendebetreiber entschieden, das analoge UKW-Radio abzuschalten. Doch über DAB+ ist mehr als das Hören von Radiosendern möglich. Denn mit ASA wird aktuell eine neue Funktion eingeführt, die regional über mögliche Gefahren warnen soll – auch dann, wenn das zertifizierte Digitalradio ausgeschaltet ist. Welche analogen UKW-Radiosender bereits abgeschaltet wurden, welche von ihnen demnächst abgeschaltet werden und was sich hinter der Bezeichnung „Automatic Safety Alert“ (ASA) verbirgt? Dazu haben wir mit Herrn Carsten Zorger, Leiter des Digitalradio Büro Deutschland, gesprochen.
SATVISION: Wie hat sich das Digitalradio in Deutschland zuletzt entwickelt und wo sehen Sie noch Aufklärungs- respektive Aufholbedarf?
Carsten Zorger: Die Wachstumsdynamik von DAB+ ist ungebrochen. Nach einem besonders starken Schub bei den Absätzen von Empfangsgeräten während der Pandemie, sind es in den letzten beiden Jahren vermehrt Radiosender, die immer stärker, immer häufiger und immer konsequenter auf die digitale Terrestrik setzen und UKW abschalten.
In Schleswig-Holstein hat dieser Trend dazu geführt, dass sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Programmbetreiber mit der Landesregierung und -medienanstalt einen vollständigen Ausstieg von UKW beschlossen haben. In den nächsten sechs Jahren wird viel Kraft in die Digitalisierung des Hörfunks investiert. In Schleswig-Holstein ist DAB+ längst Gegenwart.
Im Zuge des Umstiegs von analogem UKW auf DAB+ Digitalradio reduzieren gleich mehrere öffentlich-rechtliche Anbieter ihre analoge Infrastruktur. Der MDR hat erstmals konkrete UKW-Sendeanlagen zur Abschaltung benannt, der Bayerische Rundfunk führt seine Maßnahmen in dieser Richtung fort. Besonders umfassend agiert Deutschlandradio: Allein in Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen werden 20 UKW-Anlagen im laufenden Jahr stillgelegt – ein weiterer Meilenstein in der digitalen Transformation des Hörfunks.
Bei den privaten sind es beispielsweise Klassik Radio und egoFM, die sich nahezu komplett von UKW verabschieden. Auch andere Radioangebote aus Bayern wechseln auf vollständig digitale Verbreitung. Aktuelle Entwicklungen im Freistaat können hier nachverfolgt werden: www.dabplus.de/bayern
Mit Blick auf die Nutzung lässt sich auch hier ein stabiles Wachstum bestätigen. Wie aus der Funkanalyse Hörfunk Bayern 2025 (FAB) hervorgeht, liegt die tägliche Nutzung digitaler Empfangswege erstmals gleichauf mit UKW. DAB+ ist dabei die treibende Kraft. 34 Prozent der Bevölkerung hören werktags Radio über DAB+, das entspricht 44 Prozent aller Radiohörenden. Wie die bundesweite Ausweisung „ma Audio 2025 I“ zeigt, wird DAB+ im „Weitesten Hörerkreis“ (WHK) von 30,3 Prozent (ma 2024 Audio II: 29,1 Prozent) gehört und insbesondere in der Zielgruppe der 30- bis 59-Jährigen überproportional genutzt (WHK: 36,4 Prozent – ma 2024 Audio II: 34,4 Prozent).
Die schrittweise Einführung des Warndienstes „Automatic Safety Alert“ (ASA) über DAB+ und seine Integration in den bundesweiten Warnmix steigern die Sichtbarkeit und Relevanz von DAB+ erheblich. Als verlässliche Plattform ermöglicht DAB+ künftig adressgenaue, automatische Warnmeldungen – ein zentraler Schritt zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes im digitalen Rundfunk.
In Deutschland ist Rundfunk ein stark föderal geprägtes Thema. Die Verbreitung von DAB+ und ihre Dynamik variieren von Land zu Land. Wir begrüßen grundsätzlich alle Aktivitäten, die zu einer größeren Bekanntheit von DAB+ führen.
SATVISION: Wie schlägt sich DAB+ in Bezug auf die durchschnittliche Hördauer pro Tag im Vergleich zu anderen Übertragungswegen, wie zum Beispiel Internetradio?
C. Zorger: Die Funkanalyse Hörfunk Bayern hat keine allgemeine Nutzungsdauer erhoben, dafür aber die Tagesreichweite von Radio im Auto nach unterschiedlichen Empfangswegen ermittelt. Danach nutzen 36,4 Prozent der Autofahrenden DAB+, während 2 Prozent angaben, Internetradio zu hören.
Laut der bundesweiten ma 2025 Audio I liegt die durchschnittliche Verweildauer beim DAB+ Hören bei 164 Minuten. Für die Online-Audio Angebote hat die Studie eine durchschnittliche Verweildauer von 116 Minuten ermittelt.
SATVISION: Mit welchem Hintergrund löst DAB+ die Knappheit von UKW-Frequenzen?
C. Zorger: Der UKW-Frequenzbereich für Radioangebote ist stark begrenzt. Bei dem vom Rundfunk genutzten Frequenzband zwischen 87,5 und 108 MHz können aus technischen und regulatorischen Gründen nur bis zu ca. 30 Programme ausgestrahlt werden. Durch die effizientere Nutzung der Frequenzen ermöglicht DAB+ ein Vielfaches dieses Angebotes und dadurch mehr Vielfalt. Auf diese Weise kann die Frequenzknappheit bei UKW überwunden werden.
SATVISION: Aktuell werden die ersten ASA-zertifizierten Digitalradios ausgeliefert. Wofür steht die Bezeichnung „Automatic Safety Alert“ und welche Funktionen sind damit für Nutzer verbunden?
C. Zorger: ASA über DAB+ (Automatic Safety Alert) ist ein moderner digitaler Alarmdienst zur Bevölkerungswarnung, der über das DAB+-Radionetz ausgestrahlt wird. Im Ernstfall lassen sich damit Sicherheitsmeldungen rasch und zuverlässig an die Bevölkerung übermitteln – selbst dann, wenn das Radio stummgeschaltet, auf einen anderen Sender eingestellt oder im Standby-Modus ist. Ein großer Vorteil: DAB+ ist unabhängig von Mobilfunk- und Internetnetzen und bleibt somit auch bei Netzüberlastungen voll funktionsfähig. Durch den Einsatz von Geofencing werden Warnungen gezielt für tatsächlich betroffene Regionen ausgegeben, was eine Überwarnung vermeidet. Ergänzend können Warnhinweise mit Text- und Bildinformationen angereichert werden – ein klarer Vorteil für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen oder Sprachbarrieren. Als Ergänzung zu bestehenden Warnsystemen wie Cell Broadcast, Warn-Apps oder Sirenen stärkt ASA über DAB+ die Krisenkommunikation und sorgt für eine flächendeckende, robuste Alarmierung.
ASA befindet sich im Testbetrieb und ist derzeit noch nicht flächendeckend verfügbar. Die Radiosender in Deutschland beteiligen sich aktiv am Aufbau einer Warninfrastruktur.
DAB+-Gerätehersteller bereiten sich aktuell auf den Start ASA-fähiger Radios vor. Noch vor dem Warntag am 11. September ist die Auslieferung einer ersten Gerätegeneration geplant, die für Live-Tests genutzt werden kann. Detaillierte Informationen dazu gibt es ab Anfang September online unter www.dabplus.de/asa.
SATVISION: Zu welchem Zeitpunkt ergibt es Ihrer Ansicht nach Sinn, in Deutschland eine bundesweite Abschaltung des analogen UKW-Radios vorzunehmen? Und sollte die Umstellung schrittweise erfolgen?
C. Zorger: In Deutschland entscheiden die Bundesländer eigenständig über Medienpolitik – deshalb gibt es auch keinen festen, bundesweit einheitlichen Termin für die Abschaltung von UKW. Bislang hat nur Schleswig-Holstein konkrete Schritte unternommen. Dort haben sich öffentlich-rechtliche und private Radiosender mit der Landesregierung und der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein auf einen gemeinsamen Plan verständigt. Anfang 2025 begann der Wechsel zu DAB+, bis 2031 sollen alle UKW-Frequenzen abgeschaltet sein. Danach läuft der Radioempfang vor Ort nur noch über DAB+ oder das Internet.
Dieses Modell zeigt, dass ein solcher Wandel funktionieren kann – wenn alle Beteiligten gut zusammenarbeiten. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie föderale Strukturen in Deutschland praktische Lösungen auf Landesebene ermöglichen. Details dazu finden sich auf www.dabplus.de/sh.
SATVISION: Am 30. Juni 2025 wurden in Schleswig-Holstein die beiden UKW-Radiosender von Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur abgeschaltet und sind seitdem ausschließlich über DAB+ zu empfangen. Welche Vorteile verbinden Sie mit der Umstellung?
C. Zorger: Aus Sicht des Deutschlandradio liegen die Vorteile auf der Hand: Mit DAB+ gelingt auch in Schleswig-Holstein eine viel bessere Abdeckung als mit UKW. Gleichzeitig fallen für die Ausstrahlung der Programme weniger Kosten an – sowohl bei der Hardware als auch bei der Energie liegen ordentliche Sparpotentiale.
Über DAB+ können die Programme in einer Klangqualität gesendet und empfangen werden, die mit UKW nie verfügbar war. Für Hörspielproduktionen, Konzertmitschnitte und Audio-Art – alles elementare Inhalte im Programm der Deutschlandradio-Sender – eine nicht zu unterschätzende Verbesserung.
Vor allem natürlich auch für unsere Hörerinnen und Hörer. Dank DAB+ empfangen Sie das Radioprogramm nicht nur in besserer Qualität. Sie erhalten auch Zusatzinformationen in Form von Text und Bild.
Für Deutschlandradio ist der Umstieg auf DAB+ aber auch Teil des Selbstverständnisses. Bei der Digitalisierung des Rundfunks war der nationale Hörfunk von Anfang an Pionier und wesentlicher Gestalter. Dazu gehört auch, dass mit Deutschlandfunk Nova bereits einen DAB+ only Sender existiert, der in seiner digitalen Anlage Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur gewissermaßen den Weg weist.
SATVISION: Bitte vervollständigen Sie zum Abschluss den folgenden Satz: „Die Radiovielfalt ist in Deutschland insofern einzigartig, als dass …“
C. Zorger: … sie durch eine föderale Rundfunkstruktur, eine starke öffentlich-rechtliche sowie private Senderlandschaft und ein breites Spektrum an lokalem, regionalem und bundesweitem Programm eine außergewöhnlich große inhaltliche und kulturelle Bandbreite bietet – und dank digitaler Verbreitungswege wie DAB+ und IP-Radio heute mehr denn je orts- und zeitunabhängig zugänglich ist.
SATVISION: Vielen Dank für dieses Gespräch.
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