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Interview mit der AG SAT

Jetzt handeln: ARD schaltet TV-Sender ab

28. Juni 2024

Matthias Dienst Vorsitzender des Vorstands der AG SAT

Obwohl die ARD-Sender und Dritten Programme bereits seit Jahren ohne zusätzliche Kosten in der – im Vergleich zu Standard-Definition – deutlich sichtbaren und besseren HD-Bildqualität zu empfangen sind, schauen offensichtlich auch heute noch Millionen Haushalte ihre TV-Programme in der schlechteren Bildauflösung. Die doppelte Ausstrahlung in SD- und HD-Qualität verschlingt allerdings Jahr für Jahr immense Summen. Doch am 7. Januar 2025 ist damit endgültig Schluss, da die ARD endlich die SD-Abschaltung vollzieht, die bereits seit Jahren fällig war. Dabei gilt es zu differenzieren, denn es gibt Haushalte die technisch bereits in der Lage sind die TV-Programme in HD-Qualität zu empfangen und diejenigen, die neue Hardware benötigen, um zukünftig nicht vor einem schwarzen Bildschirm zu sitzen. Über die SD-Abschaltung sprachen wir mit Matthias Dienst, Vorsitzender des Vorstands AG SAT.

SATVISION: Wie viele Haushalte schauen Ihrer Einschätzung nach Das Erste und die Dritten Fernsehprogramme in SD-Qualität und sind noch nicht fit für den HD-Empfang?

Matthias Dienst: Ich denke hier muss man unterscheiden zwischen den Zuschauern, die bereits technisch in der Lage sind, ARD- und die Dritten Programme in HD zu schauen, es aber nicht tun. Der zweite Teil sind die Haushalte, die tatsächlich noch umgestellt werden müssen.

Genaue Zahlen liegen leider nicht vor. Ich habe von einer Million gehört, es gibt aber auch Zahlen, die von drei bis vier Millionen Haushalten ausgehen. Sicher gibt es neben dem Erstgerät eine Vielzahl von Zweit- und Drittgeräten in den Haushalten. Dazu kommen noch Ferienhäuser, Gartenlauben etc., bei denen man mit der vorhandenen Ausstattung nicht in der Lage ist, HD zu empfangen. Neben der technischen Umrüstung, wird auf jeden Fall die Umprogrammierung auf die ARD-HD-Programme bis zum 07.01.2025 für etliche Millionen Haushalte eine notwendige Maßnahme sein.

SATVISION: Wie schaut es in Einrichtungen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen und Hotels sowie größeren Wohneinheiten, welche oftmals über Kopfstationen mit TV-Signalen versorgt werden, aus? Wurde hier bereits frühzeitig geplant und umgestellt?

M. D.: Dies ist die größere und in meinen Augen auch kritischere Herausforderung. Zwar sind auch hier keine genauen Zahlen bekannt, ärgerlich ist aber jede Gemeinschaftsanlage, die nicht rechtzeitig zentral umgestellt wurde. Hier haben die einzelnen Teilnehmer dann keine Chance, in Eigenregie etwas zu unternehmen, denn diese Anlagen werden über eine zentrale Kopfstelle versorgt, die nur von einem Fachmann installiert bzw. umgestellt werden kann.

Bekannt ist die Thematik der HD-Umstellung schon seit mindestens vier Jahren. Mit der verbindlichen ARD-SD-Abschaltung via Satellit zum 07.01.2025 steht jetzt aber erstmals ein fixer Endtermin. Es ist nicht so, dass in den letzten Jahren nichts passiert ist, es ist aber davon auszugehen, dass dennoch bei zu vielen Gemeinschaftsanlagen noch nichts gemacht wurde.

Kritisch ist die Thematik bei den zuvor genannten Anwendungen und Zielgruppen deshalb, da bis zur endgültigen Fertigstellung, zuvor ein Investitionsplan stehen muss, eine Anlagenplanung vorgenommen werden muss, eine Ausschreibungsphase folgt, die Lieferzeiten müssen beachtet werden und zuletzt muss die Anlage dann noch im laufenden Betrieb installiert und in Betrieb genommen werden. Da sind sechs Monate sportlich! Und wenn ich dann noch daran denke, dass die heiße Phase im Winter, um die Weihnachts- und Silvesterzeit sein wird, da kann es schon eng werden.

SATVISION: Warum ist es so wichtig jetzt zu handeln und nicht bis zur letzten Minute zu warten?

M. D.: Wie schon zuvor beschrieben, gibt es unterschiedliche Entscheider und Schritte, die bei solchen Projekten notwendig sind. Das kleinste Problem in der Kette, verzögert den Endtermin. Und zum Schluss müssen die Anlagen von einem kompetenten Handwerker installiert und in Betrieb genommen werden. Ich glaube um die Weihnachtszeit haben alle genug um die Ohren und wenn dann noch etwas an der Außenanlage bei Schnee und Eis neu justiert oder ausgetauscht werden muss, ist das sicher suboptimal. Meine dringliche Empfehlung ist deshalb, sich frühzeitig mit dem Thema zu befassen. Da die HD-Programme schon verfügbar sind, gibt es wirklich keinen Grund, bis zur letzten Minute zu warten.

SATVISION: Am 1. Juli endet das Nebenkostenprivileg und Vermieter dürfen die Kosten für einen Kabel-TV-Anschluss nicht mehr auf die Mieter umlegen. Wie viele Fernseh-Haushalte werden die Kabelnetzbetreiber Ihrer Einschätzung nach durch den Wegfall des Nebenkostenprivilegs verlieren und welcher TV-Empfangsweg wird Ihrer Ansicht nach am meisten von dem Wegfall der Umlagefähigkeit profitieren?

M. D.: Diese Frage ist spannend. Dazu braucht es eine große Glaskugel. Wenn dies jemand seriös beantworten könnte, dann würde man diese Person sicher aktuell feiern. Grundsätzlich denke ich auch hier, dass viele etwas von dem Thema gehört haben, der Großteil aber eher träge ist und bei seiner bekannten Lösung bleiben wird. Die Kabelnetzbetreiber haben aktuell viel zu tun, um neue Verträge abzuschließen und zum Teil auf andere Geschäftsmodelle umzustellen. Der Druck und auch die Marketingpower seitens der Streaming­anbieter und auch durch den Glasfaserausbau ist immens, wie sich das danach aufteilt, wage ich nicht zu beurteilen. Ich denke nicht alles wird zum Stichtag schon entschieden sein.

Fakt ist auf jeden Fall, dass der Satelliten-Empfang immer eine Alternative darstellt, und dieser Empfangsweg wird aufgrund seiner preislichen Attraktivität und der Qualität immer eine hervorragende Option sein, die auch von der Gesetzeslage profitieren wird. Was aber nicht heißt, dass ich Schüsselwälder und hunderte von Einzelempfangslösungen an den Fassaden sehe. Im SAT-Bereich gibt es mit der optischen SAT-ZF oder anderen Aufbereitungslösungen verschiedene Alternativen die absolut Sinn machen.

SATVISION: Aktuell läuft die Fußball Heim-EM. Die Telekom hat sich die Medienrechte gesichert und überträgt alle 51 Spiele bei Magenta­TV, 5 Partien exklusiv. Allerdings jubeln IPTV-Zuschauer (Magenta­TV, GigaTV, waipu.tv, Zattoo und Co.) im Vergleich zu Haushalten mit einer Satellitenempfangsanlage deutlich später. Welchen Einfluss hat die Latenzzeit Ihrer Meinung nach auf die Wahl des TV-Empfangswegs?

M. D.: Ich glaube die Latenzzeiten sind ärgerlich, aber nicht grundsätzlich das Argument für die Wahl des Empfangswegs. Die meisten Anlagenlösungen stehen ja schon vor der EM und dass diese deswegen verändert werden, sehe ich eher nicht. Zudem denke ich nicht, dass diese technisch bedingte Thematik vielen Zuschauern überhaupt bekannt ist.

Das Hauptargument sind für mich nach wie vor die Kosten. Ich bin froh und glücklich über jeden Streaminganbieter, der das TV-Angebot individueller, besser und attraktiver macht. Jedoch glaube ich nicht, dass jeder Haushalt die monatlichen Kosten, die mit den ganzen Diensten zwangsläufig verbunden sind, aufbringen möchte oder auch kann. Da bietet der SAT-Empfang, als einziger Empfangsweg mit einem attraktiven Paket an kostenfreien Programmen die wirtschaftlich beste Lösung, nicht nur bei der EM und der Vorteil, dass man früher jubeln kann, kommt dann noch mit dazu.

SATVISION: Werden wir unsere TV-Programme dennoch zukünftig ausschließlich streamen?

M. D.: Definitiv nein. Meiner Meinung nach werden wir im Gro immer über eine Basis-Grundversorgung an TV-Programmen über die klassischen Empfangswege sprechen und dazu kommen ein bis zwei kostenpflichtige Dienste, je nach individuellen Vorlieben und wirtschaftlichen Möglichkeiten, die das TV-Programmangebot ergänzen.

Auch technologisch sind wir noch weit davon entfernt, dass alle Haushalte in der Lage wären, zuverlässig gleichzeitig zu streamen. Stellen Sie sich mal hypothetisch vor, Deutschland kommt ins EM-Endspiel und alle Teilnehmer wollten gleichzeitig das Endspiel streamen. Diese Bandbreiten stehen aktuell bei einer Vielzahl an Haushalten überhaupt nicht zur Verfügung und das Ergebnis wären Standbilder. Da reden wir nicht mehr über längere Latenzzeiten sondern darüber, dass das Spiel vorbei ist.

SATVISION: Welchen TV-Empfangsweg würden Sie als den Nachhaltigsten bezeichnen und mit welchem Hintergrund?

M. D.: Ich denke hier kommen unterschiedliche Faktoren zusammen, die in dem einen oder anderen Fall zu einer anderen Bewertung führen. Spricht man über eine Einzelanlage oder einen Gemeinschaftsempfang, sind schon Kabel verlegt oder nicht, ist es ein Neu- oder ein Altbau, wie sind die Sehgewohnheiten, handelt es sich um eine Privatanlage oder um eine gewerbliche Nutzung?

Grundsätzlich ist der CO2-Fußabdruck bei der Nutzung von Streamingangeboten sicher am größten. Dabei muss für jeden Nutzer ein separates Signal generiert und über das Internet übertragen werden (sogenannte one-to-one-Verbindung). Beim Satelliten-TV werden im Gegensatz dazu mit nur einem Signal viele Millionen Haushalte versorgt (one-to-many-Verbindung) und das auch über Ländergrenzen hinweg. Auch ist das Verlegen von Glasfaser sicher nicht günstiger als das Verlegen von Koaxialkabel, leistungsfähig sind beide Infrastrukturen.

Was den Geldbeutel anbelangt, ist sicher der SAT-Empfang auf Dauer am nachhaltigsten, da er nach einer Einmalinvestition zu Beginn, in der Folgezeit kostenlos und man komplett unabhängig ist.

SATVISION: Was verbinden Sie mit dem DVB-I Standard?

M. D.: DVB-I (I für Internet) stellt TV-basierte Dienste (lineares Fernsehen, VoD) auf Empfangsgeräten mit Breitbandzugriff über das Internet zur Verfügung. Dies kann sowohl „over the top“ als auch über „managed“ Netzwerke geschehen. Die User Experience ist ähnlich dem Empfang von DVB-Services über DVB-T, DVB-S oder DVB-C. DVB-I standardisiert die Signalisierung und Verteilung von IP-basierten TV-Diensten. Nutzer müssen sich nicht mehr für jeden Service eine App herunterladen, sondern können mit einem Standard DVB-I Client die in der Serviceliste enthaltenen Dienste direkt konsumieren.

Ich denke es macht Sinn, dass sich hinsichtlich der Vielzahl an unterschiedlichen IP-TV-Plattformen, wichtige TV-Sendeanstalten und die Industrie zusammentun, um einen einheitlichen Standard voranzutreiben. DVB-I wird sicher ein neuer Übertragungsweg werden, und es ist spannend zu sehen, wie sich dieser über die Jahre im Wettbewerb zu DVB-T, DVB-S und DVB-C entwickelt. Es tut sich einiges in der TV-Landschaft.

SATVISION: Welchen TV-Empfangsweg nutzen Sie in Ihrem privaten Zuhause und welche Bedeutung hat das lineare Fernsehen für Sie?

M. D.: Ich habe den Empfangsweg, den ich auch heute genauso wieder planen würde und den ich auch mit gutem Gewissen meinem besten Freund empfehlen würde. Ich habe eine SAT-Anlage, eine Koaxverteilung mit Internetanschluss bei den TV-Geräten und abonniere zwei Pay-TV-Angebote, eines für Fußball und eines für Serien bzw. Blockbuster.

Da ich zu den Babyboomern zähle, bin ich mit linearem Fernsehen groß geworden. Darauf möchte ich auch nicht verzichten, da ich mir abends nicht noch den Kopf machen möchte, um mir ein Programmangebot zusammenzustellen. Alleine die Diskussionen in der Familie sind uferlos. Zudem finde ich es auch gut, ab und zu per Zufall etwas zu sehen, womit ich gar nicht gerechnet hätte und ich bin auch ein Fan von fixen Events wie Aktenzeichen XY oder Tatort.

SATVISION: Bitte vervollständigen Sie bitte zum Abschluss den folgenden Satz: „Die Fernsehlandschaft wird sich insofern in Deutschland verändern, als dass …“

M. D.: … sie individueller, attraktiver und besser wird, zum Teil aber auch einige Kostenfallen enthält und sich aus einem Mix aus Bekanntem und Neuem zusammensetzen wird.

SATVISION: Vielen Dank für dieses Gespräch.

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