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Fragen und Antworten zum Thema Linux-Betriebssysteme

25. Juni 2015

Die meisten Fernseher bieten heutzutage Triple-Tuner für den Empfang von Satelliten-, Kabel- und terrestrischem Fernsehen sowie Smart-TV- und Aufnahmefunktionen. Externe Set-Top-Boxen für den TV-Empfang und Zusatzfunktionen sind also nicht mehr zwingend erforderlich. Dennoch erfreuen sich Linux-Receiver dank kurzer Umschaltzeiten, einfacher Bedienung und meist gutem Senderlistenmanagement ungebrochener Beliebtheit. Das liegt neben den genannten Vorteilen vor allem daran, dass sich diese mit alternativer Software und zahlreichen Plugins nach Belieben erweitern lassen. Auch die kontrovers diskutierten Aufnahmerestriktionen von HD+, Sky und Co. lassen sich mit diesen Set-Top-Boxen aushebeln. Bei der Hardware-Ausstattung der zahlreichen Hersteller und Modelle sowie den verschiedenen Linux-Betriebssystemen gibt es allerdings viele Unterschiede. Was alles zu beachten ist, klärt unser Ratgeber zum Thema „Linux-Betriebssysteme für Set-Top-Boxen“.

An welche Zielgruppe richten sich Receiver mit Linux-Betriebssystem und welche Vorteile bieten diese gegenüber normalen Set-Top-Boxen.

Im Internet gibt es große Linux-Gemeinden welche sich untereinander und Neulinge mit Anleitungen und eigens entwickelter Software unterstützen. In den zahlreichen Foren werden alternative Images (Betriebssysoftware), Plugins (Zusatzprogramme) stetig weiterentwickelt und ausgetauscht. Dabei werden alle gängigen Hersteller und Modelle vom preiswerten Edision bis hin zur extravaganten Dreambox unterstützt.

Der Vorteil dieser Receiver ist, dass sowohl Profis und Tüftler als auch Einsteiger in den Genuss eines sehr frei modifizierbaren Betriebssystems kommen. Wer sich mit der Materie tiefgehend auseinandersetzt kann Features wie IPTV, Streaming, Schnittfunktionen, uneingeschränkte Aufnahmen, CI+-Unterstützung ohne Restriktionen auch für gepairte Smartcards und vieles mehr nutzen. Teilweise verstoßen solche Modifikationen jedoch gegen die AGBs der Inhalteanbieter und in der Regel verfällt dadurch die Herstellergarantie. Durch unsachgemäße Handhabung kann es zudem zu Systemausfällen kommen. Laien sollten sich im Voraus gut informieren.

Welches sind die Unterschiede zwischen offenen und geschlossenen Linux-Betriebssystemen?

Die erste grundsätzliche Unterscheidung, die zwischen den vielen verschiedenen Set-Top-Boxen mit Linux-Betriebsystem zu machen ist, ist jene zwischen offenen und geschlossenen Systemen. Bekannte Hersteller von Receivern mit offenen Linux-Systemen sind Dream (Multimedia) Property, VU+, Gigablue, Coolstream Venton und Xtrend. Die meisten dieser Hersteller setzen auf Enigma2 oder das weniger weit verbreitete Neutrino HD. Für beide Betriebssysteme werden zahlreiche alternative Images angeboten, die mehr Funktionen und neue Plugins bringen. Dem gegenüber stehen die Hersteller mit geschlossenen Betriebssystemen wie TechniSat, Humax oder MacroSystem. Diese Hersteller behalten sich das alleinige Recht vor die Software und Funktionen weiterzuentwickeln oder zu modifizieren, um Missbrauch oder Defekte durch Anwenderfehler zu unterbinden.    Wer keinerlei Einschränkungen wünscht, greift zu einer Set-Top-Box mit offenem Linux.

Im Zusammenhang mit dem populärsten offenen Linux-Betriebssystem Enigma2 habe ich oft von OpenPLi, OpenATV und anderen Ablegern gelesen. Wie unterscheiden sich diese?

Während zum Beispiels Enigma2 oder auch Neutrino HD als Grundplattform angesehen werden können, gibt es darauf aufbauend zahlreiche Softwareplattformen, um die herum sich teils große Communities gebildet haben, die ständig an der Weiterentwicklung der entsprechenden Images arbeiten. Die meisten offenen Linux-Receiver laufen mit Enigma2. Die beiden bekanntesten Unterkategorien sind hier OpenATV und OpenPLi. Darüber, welches der beiden Systeme besser ist, lässt sich lange streiten. Die größere Verbreitung und mehr unterstützte Hersteller und Modelle hat jedenfalls OpenATV zu bieten, welches auf manchen Receivern bereits ab Werk vorinstalliert ist. Receiver mit Dual-Boot-Funktion erlauben es zudem, beide Betriebssysteme parallel zu installieren und beim Systemstart eines von beiden auszuwählen, um in die Vorzüge beider Entwicklungen zu kommen.

Im Zusammenhang mit Linux-Receivern fällt immer wieder der Begriff „Plugins“. Was bringen mir diese?

Die kleinen Zusatzprogramme, die zwischen einigen Kilobytes und wenigen Megabytes groß sein können und im Allgemeinen Plugins genannt werden, können prinzipiell mit den von Smartphones und Tablets bekannten Apps verglichen werden. Jedes einzelne bietet mehr oder weniger essentielle Funktionen, die einen Linux-Receiver erst zu dem machen, was er ist. Mit der Originalsoftware sind bereits einige Plugins installiert und weitere lassen sich herunterladen und nachinstallieren. Viel mehr und teilweise illegale Plugins werden aber erst mit alternativen Images verfügbar. Besonders populär sind das Plugin „Moviecut“ zum Schneiden von Aufnahmen, um Werbeblöcke, Vor- und Nachlaufzeiten zu entfernen, DLNA- und HbbTV-Plugins, welche die beliebten Netzwerk- beziehungsweise Internetdienste auch auf Linux-Receivern verfügbar machen sowie Cccams. Das sind sogenannte Soft-CAMs, welche die integrierten Kartenleser zu sogenannten „Allesfressern“ machen. Von Werk aus sind diese mit wenig verbreiteten oder lizenzfreien Verschlüsselungssystemen wie Conax bestückt. Soft-CAMs erlauben es diesen Kartenlesern, auch die offiziellen Smartcards von HD+, Sky oder den Kabelnetzbetreibern betreiben zu können. Achtung: Das Verwenden von illegaler Software zum Entschlüsseln offizieller Abokarten verstößt gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter, auch wenn das Abo rechtmäßig abgeschlossen wurde.

Können Linux Set-Top-Boxen (auch unterschiedlicher Hersteller) untereinander vernetzt werden?

Um einen Linux-Receiver ins Netzwerk zu bringen, ist es lediglich erforderlich diesen über den vorhandenen Netzwerkanschluss oder über WLAN ins Netzwerk einzubinden. Schon können diverse Netzwerk- und Internetdienste genutzt werden. Viele davon lassen sich nachträglich per Plugin installieren. So zum Beispiel HbbTV oder DLNA. Letzteres wird benötigt, wenn ein Linux-Receiver auf im Netzwerk befindliche Speichermedien wie NAS-Systeme zugreifen oder selber Dateien im Netzwerk bereitstellen soll. Dann können auch andere DLNA-geeignete Geräte wie andere Linux-Receiver zum Beispiel auf die Aufnahmen zugreifen – unabhängig vom Hersteller oder Linuxbetriebssytem. Linux-Receiver mit demselben Betriebssystem, beispielsweise Enigma2 oder Neutrino HD, lassen sich untereinander verbinden, um auch Live-TV zu streamen, wenn sich eine der Set-Top-Boxen beispielsweise in einem Raum ohne eigenen TV-Anschluss befindet. Diese Funktion ist entweder per Plugin verfügbar oder bereits in der Betriebssoftware implementiert. Die verbundenen Receiver funktionieren als Partnerboxen und können dann auf das Senderbouqet der jeweils anderen Partnerbox zugreifen. Ideal ist hier natürlich mindestens ein Twin-Tuner, damit auf dem Streaming-Host weiterhin unabhängig ferngesehen werden kann.

Welche Internetgeschwindigkeit wird für IPTV-Plugins, also den Empfang bestimmter TV-Inhalte über das Internet, vorausgesetzt?

IPTV, also der TV-Empfang über das Internet ist eine noch relativ unterschätzte Möglichkeit des linearen Fernsehens. Gemeint sind hier keine IPTV-Lösungen wie Entertain und Vodafone TV, Video-on-Demand-Angebote aus dem Internet und auch nicht offizielle Lösungen wie Zattoo. Beim IPTV-Empfang handelt es sich um per Plugin realisierte TV-Stream-Listen, die direkt über den Receiver aufgerufen werden können. Für das Streamen von SD-Content wird eine Internetgeschwindigkeit von sechs Mbit/s empfohlen. Bei HD-Inhalten sollten es mindestens zehn Mbit/s sein. Zu den auf diese Weise empfangbaren Internet-TV-Sendern zählen unter anderem regionale Programme, ausländische und sogar verschlüsselte Inhalte, die ohne Abokarte empfangen werden können.

Ich nutze Video-on-Demand wie Maxdome und Netflix, kann aber kein entsprechendes Plugin oder Ähnliches für meinen Linux-Receiver finden. Woran liegt das?

Video-on-Demand-Anbieter wie Maxdome, Watchever, Netflix, Videoload oder Amazon Instant Video erfreuen sich auch hierzulande wachsender Beliebtheit. Auf vielen Smart-TVs sind meist mehrere dieser Anbieter in Form von TV-Apps direkt verfügbar. Alternativ gibt es dedizierte VoD-Boxen wie Amazon Fire TV. Auf Linux-Receivern sucht man Video-on-Demand allerdings vergebens. Da die Anbieter die Umsetzung von DRM (Digital Rights Management) fordern, um ihre Inhalte zu schützen und die Hersteller von offenen Linux-Set-Top-Boxen dieses nicht implementieren, ist es nicht möglich Video-on-Demand auf solchen Receivern zu nutzen.

Neuerdings ist immer häufiger von sogenannten CI+-Patches die Rede. Was ist darunter zu verstehen?

Linux-Receiver werden immer mit CI-1.0-Steckplätzen für CI-Module ausgeliefert, da die Auflagen für CI+-Steckplätze nicht erfüllt werden – und auch nicht erfüllt werden wollen, da damit unterschiedliche Restriktionen wie Aufnahmesperren einhergehen. Offizielle CI+-Module können in CI-1.0-Steckplätzen allerdings nicht betrieben werden. Erstmals haben wir in der SATVISION-Ausgabe Oktober 2014 von ausgehebelten CI+-Restriktionen bei Linux-Receivern berichtet. Zu diesem Zeitpunkt war die Unibox HD eco+ von Venton die erste Set-Top-Box, in der sich mit einem CI+-Patch auch gepairte Karten in Verbindung mit einem Sky-CI+-Modul betreiben lassen – ganz ohne Restriktionen. Inzwischen sind solche Softwarepatches auch für Dreamboxen (siehe SATVISION-Ausgabe April 2015) und Vu+-Receiver (siehe in dieser Ausgabe ab Seite 30) verfügbar. Wie alternative Software für Hackermodule wie das Unicam oder Soft-CAMs für interne Kartenleser sind auch CI+-Patches illegal.

Auf welche Hardwaremerkmale sollte ich beim Kauf eines Linux-Receivers achten. Wodurch ergeben sich die teils großen Preisunterschiede bei verschiedenen Modellen?

Die Preisspanne bei Linux-Receivern ist enorm und reicht von unter 100,- Euro für eine Set-Top-Box wie den Opticum Ax Odin bis über 700,- Euro für die Dreambox DM7080 HD. Auch dazwischen sind alle Preissegmente besetzt. Da die meisten dieser Receiver mit dem beliebten Enigma2 bestückt sind, das sich relativ frei modifizieren lässt, liegen die Gründe für die preislichen Unterschiede in der Hardware begründet.

Vor dem Kauf sollte sich zunächst jeder darüber Gedanken machen, welchen Zweck der gewünschte Linux-Receiver erfüllen soll. Wenn nur sporadisch TV-Programme aufgenommen oder pausiert werden sollen, genügt eine Set-Top-Box mit Single-Tuner und Aufnahmefunktion auf externe USB-Datenträger. Wer regelmäßig aufzeichnet, sollte mindestens in einen Twin-Tuner investieren, um ein Programm schauen zu können, während ein zweites aufgenommen wird. Darüber hinaus könnte eine interne Festplatte eine Überlegung wert sein. Wer Streaming-Funktionen und Internetfunktionen nutzen möchte, braucht einen Netzwerkanschluss oder WLAN. Bei einer bestehenden Internetverbindung lassen sich auch Plugins und Softwareupdates unkompliziert herunterladen und installieren.

Receiver mit Single-Tuner, PVR-Funktion auf externe USB-Datenträger und einem CI-Slot oder Kartenleser gibt es bereits für unter 150,- Euro. In der Regel arbeiten in diesen Set-Top-Boxen Single-Core-CPUs mit bis zu 700 MHz, bis zu 512 MB RAM und es stehen maximal 256 MB Flashspeicher zur Verfügung. Zum Vergleich: Das Linux-Flaggschiff Dreambox DM7080 HD kann mit bis zu vier Tunern und einer internen SATA-Festplatte bestückt werden. Ein 1,3-GHz-Dualcore-Prozessor, zwei Gigabytes RAM und vier Gigabytes Flashspeicher sind absolute Referenz-Hardware. Dazwischen liegen viele Receiver-Modelle mit Twin-Tuner und optional nachrüstbarer Festplatte, die je nach Leistungsfähigkeit der Hardware zwischen 200,- und 400,- Euro kosten.

Was muss ich vor dem Aufspielen alternativer Software auf meine Linux-Set-Top-Box hinsichtlich der Garantie und Gewährleistung beachten?

Bevor eine alternative Betriebssoftware geflashed wird oder sonstige Veränderungen an der Betriebssoftware vorgenommen werden, sollte sich jeder im Klaren sein, dass durch Softwaremanipulationen jeglicher Art die Herstellergarantie und die Gewährleistungen erlöschen können. Fehler oder Defekte die durch solche Eingriffe entstehen, fallen nicht mehr in die Zuständigkeit des Herstellers. Zwar besteht kein grundsätzliches Risiko beim installieren eines neuen Images, aber gerade Betaversionen neigen zu Bugs (Systemfehlern) oder Crashes (Systemabstürzen). In der Regel sind Fehler, Abstürze oder Bootloops (das ständige Neustarten des Gerätes in Dauerschleife) durch erneutes Aufspielen der ursprünglichen Software oder eine Systemwiederherstellung zu beheben, so dass der Receiver gerettet und auf den Werkszustand zurückgesetzt werden kann. Wenn das System nicht mehr ordnungsgemäß bootet, kann ein sogenannter „Emergency Flash“ Abhilfe schaffen.

Es ist ratsam persönliche Einstellungen, welche auch die bearbeiteten Programm- und Favoritenlisten sowie Netzwerkeinstellungen einschließen, regelmäßig auf einem externen Datenträger zu sichern, um bei einer Systemwiederherstellung ohne großen Aufwand den Receiver wieder auf den gewünschten Stand zu bringen. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass all dies in Eigenverantwortung geschieht. Wer einmal gar nicht weiter weiß, wird in den zahlreichen Linux-Foren jede mögliche Unterstützung finden.

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