3D-Technologien im Vergleich
20. Mai 2012
Was mit der Faszination für den Hollywood-Blockbuster „Avatar“ in 3D im Kino begann, löste einen neuen Trend aus, welcher mittlerweile auch in vielen deutschen Wohnzimmern Einzug gehalten hat. Die Hersteller der Unterhaltungselektronik bringen dabei immer neue Techniken auf den Markt, welche immer bessere räumliche Fernseherlebnisse versprechen. Wir haben für Sie die unterschiedlichen Techniken hinter den 3D-Fernsehern genauer unter die Lupe genommen.
Voraussetzungen für 3D
Um die dritte Fernsehdimension ins heimische Wohnzimmer zu holen, bleibt es leider nicht aus, in neue Technik zu investieren. Zunächst einmal ist ein spezieller 3D-tauglicher Flachbildschirm oder Projektor erforderlich. Die unterschiedlichen Techniken, welche hierbei möglich sind, erklären wir Ihnen auf den nächsten Seiten ausführlich. Aktuelle Modelle beherrschen es zudem, auch 2D-Inhalte in 3D umzuwandeln. Je nach Fernsehtyp bzw. der zum Einsatz kommenden Technik werden dann noch für jeden Zuschauer passive oder aktive 3D-Brillen benötigt. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass ca. 10% der Bevölkerung aufgrund einer weit verbreiteten Sehstörung keine 3D-Filme sehen können bzw. über Unwohlsein und Kopfschmerzen klagen.
Die 3D-Inhalte
Um auf dem neuen 3D-Fernseher auch entsprechend dreidimensionale Inhalte genießen zu können, gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste Variante wäre der Weg, gekaufte oder geliehene Inhalte in Form einer Blu-ray über einen 3D-tauglichen Blu-ray-Player oder eine Playstation 3 zu nutzen. Herkömmliche Blu-ray- oder gar DVD-Player können aktuelle 3D-Filme nicht darstellen. Eine erste Auswahl an 3D-Filmen (derzeit 119 auf dem deutschen Markt, Quelle: bluray-disc.de) und entsprechende Player befindet sich mittlerweile bereits im Handel. Alternativ können dreidimensionale Programme auch live über Satellit, Kabel oder IPTV empfangen werden. Die beiden Satellitenbetreiber Astra (auf 23,5° Ost) und Eutelsat (auf 9° Ost) bieten hierfür jeweils einen eigenen Demokanal. Beide Kanäle sind in erster Linie für Präsentationen im Handel gedacht, können aber auch von jedem HDTV-SAT-Receiver aus privat genutzt werden. Auch Sky Deutschland sendet seit dem letzten Jahr einen eigenen 3D-Kanal, der über Astra 19,2° Ost und in den Kabelnetzen von Kabel BW nutzbar ist. Zu sehen sind meist Inhalte aus den Bereichen Sport, Musik, Kultur und Unterhaltung und jeweils eine Partie pro Spieltag der Fußball-Bundesliga in 3D. Fußballfreunde erhalten auch beim Entertain IPTV-Angebot der Deutschen Telekom eine dreidimensionale Partie pro Spieltag und dazu 3D-Inhalte zum Abruf über das Videoload-Portal. Der Kabelnetzbetreiber Unitymedia startete im Mai einen eigenen 3D-Kanal. Eine Ausstrahlung von 3D-Inhalten über DVB-T ist derzeit aufgrund der hohen benötigten Bandbreiten nicht geplant und wohl auch frühestens mit dem Nachfolgestandard DVB-T2 über die Antenne zu realisieren.
So gelangen 3D-Inhalte auf Ihren Fernseher:
Außer über einen 3D-Blu-ray-Player können dreidimensionale Inhalte auch über einen Satelliten- (Sky 3D oder Demokanäle) oder Kabel-Receiver (Sky 3D bei Kabel BW oder Unitymedia 3D) auf den Fernseher kommen.
Anaglyphisches Verfahren
Die Technik: Die passive Brille filtert für jedes Auge ein passendes Bild heraus bzw. ermöglicht die Trennung der beiden unterschiedlich eingefärbten Bilder (Rot und Cyan), welche einen räumlichen Eindruck erzeugen.
|
|
|
Beim bereits in den 50er Jahren entwickelten Anaglyphen-Verfahren werden zwei unterschiedlich eingefärbte Bilder (Rot und Cyan, welches die Grundfarben Grün und Blau enthält) auf dem Fernseher dargestellt. Die Trennung erfolgt dabei durch die Verwendung von passiven Farbfiltern, welche auch in simplen Pappbrillen verbaut werden können. Diese filtern dann für jedes Auge ein anderes Bild heraus. Hintergrund der Bemühungen um eine 3D-Technik in den Kinos war es damals, den Zuschauerschwund angesichts des aufkommenden Farbfernsehens und damit das große Kinosterben der damaligen Zeit aufzuhalten. Aber auch danach wurde die Technik, u.a. durch den Einsatz verbesserter Filter, weiterentwickelt. Ein Vorteil dieser Technik sind die geringen Kosten und die Darstellbarkeit auf jedem Fernsehgerät. Aufgrund der verwendeten Darstellungstechnik war es möglich, die Sitzposition frei wählen zu können, was diese Technik gerade bei mehreren Zuschauern, wie beispielsweise in Kinos, reizvoll machte.
Noch im Jahr 2010 strahlten die Sender Arte (am 3D-Tag mit Filmklassikern z.B. von Alfred Hitchcock) und der östereichische Sender Servus TV (SD und HD, im RedBull TV Fenster bei Sportevents) dreidimensionale Testsendungen in diesem Verfahren aus. Achtung beim Blu-ray Kauf: Viele 3D-Filme auf diesem Medium werden auch heute noch in dieser Technik bzw. mit beigelegten Papp-Brillen verkauft. Laut der Internetseite bluray-disc.de sind derzeit ingesamt 22 Blu-ray Filme in dieser Technik (als Classic 3D bezeichnet) auf dem deutschen Markt erhältlich. Darunter befinden sich Filme wie Coraline oder Final Destination 4. Ein weiterer Einsatz der Rot/Cyan-Technik ist mit ansteigender Verbreitung von 3D-Fernsehern und Projektoren als eher unwahrscheinlich zu erachten, denn dieses Verfahren hat den großen Nachteil, dass es schnell zur Ermüdung der Augen und zu Kopfschmerzen führt und die Bilder nur farblich verfälscht und in einer geringen Qualität dargestellt werden können und dies sowohl bei SD- als auch bei HD-Übertragungen.
Active-Shutter-Technik
Die Technik: Die aktiven Shutterbrillen schalten in einem durch den Fernseher vorgegeben Takt abwechselnd die linke und die rechte Seite durchsichtig, um jedem Auge ein anderes Bild präsentieren zu können.
|
|
|
Beim der derzeit am verbreitetsten Technik Active-Shutter-System wird auf einem speziellen Fernseher das Bild zweimal hintereinander in voller HD-Auflösung jeweils einmal für das linke und einmal für das rechte Auge dargestellt. Die hier zum Einsatz kommende 3D-Brille besitzt dabei eine eigene Elektronik, die mittels Infrarot- oder Bluetooth-Signalen mit dem TV synchronisiert wird, um ein Signal zu empfangen, welches die Flüssigkristalle (LCD) der Brillenseiten im Takt zum ablaufenden Programm abwechselnd durchsichtig bzw. lichtundurchlässig schaltet und somit beim Betrachter aufgrund der perspektivischen Verschiebung der beiden Teilbilder den räumlichen Effekt ermöglicht. Aktuelle 3D-Flachbildschirme und Projektoren (3D-ready) arbeiten mit einer Bildrate von 120 Hz, was für die synchron dazu geschalteten Shutterbrillen 60 Hz Bildrate pro Auge ergibt, da sich durch das Verfahren die Frequenz für jedes Bild halbiert, die Auflösung (1920×1080 Bildpunkte) jedoch voll beibehält.
Einer der großen Nachteile ist der Helligkeitsverlust durch die Schaltung der abwechselnden lichtundurchlässigen Phasen der Brillengläser, welche die Lichtausbeute effektiv auf 20-40% verringern. Weitere Probleme dieser Technik sind bei Doppelbildern (Cross-Talk) und Farbabweichungen (Color-Shift) zu sehen, welche jedoch durch aufwendige Bildverbesserungstechniken reduziert werden können. Ebenfalls nicht ganz unproblematisch ist die Sitzposition, da nur bei einer frontalen Ansicht ein optimaler räumlicher Eindruck gewährleistet werden kann. Dies ist vor allem bei mehreren Zuschauern wie z.B. Familien zu bedenken, welche sich, oftmals bedingt durch Wohnzimmermöbel, auch in unterschiedlichen Abständen zum Fernseher befinden können. Zudem benötigen die aktiven Brillen eine eigene Stromversorgung in Form von Batterien oder wiederaufladbaren Akkus. Die Brillen der neuesten Generation sind dabei um einiges leichter geworden und werden im Gegensatz zu ihren Vorgängern nun über Bluetooth und nichtmehr über Infrarot angesprochen, was eine erheblich präzisere Synchronisation und Reichweite ermöglicht. Leider sind die Brillen nicht herstellerübergreifend einsetzbar, da unterschiedliche technische Spezifikationen verwendet werden.
Polarisationsfilter
Die Technik: Eine passive Brille filtert für ein Auge das Bild mit linksdrehender zirkularer Polarisation und für das andere Auge das Bild mit rechtsdrehender Polarisation heraus, welche zusammengesetzt das 3D-Bild erzeugen.
|
|
|
Seit dem Film „Avatar“ hat die 3D-Darstellung über Polarisationsfilter (oft kurz Polfilter) ihren Durchbruch in den Kinos weltweit geschafft. Dabei werden zwei Bilder bzw. einzelne Zeilen mit unterschiedlichen Welleneigenschaften (zirkulare Polarisationen, gerade Zeilen linksdrehend und ungerade Zeilen rechtsdrehend) gesendet. Dabei wird jedoch bedingt durch dieses Verfahren die vertikale Bildauflösung auf nur noch 540 Bildzeilen pro Auge halbiert, was jedoch optisch kaum wahrgenommen wird, da das menschliche Auge horizontal weitaus empfindlicher reagiert und so das zusammengesetzte 3D-Bild im Kopf die „gefühlte“ volle Bildschärfe bieten soll. Mittlerweile nutzen über 90% der 3D-Kinos diese Technik. In den Heimbereich zog diese Technik erst kürzlich mit den diesjährigen neuen Modellen der Hersteller LG, Toshiba, Philips und Sony ein und soll ein neues Einstiegs-3D-Segment für den Heimbereich etablieren. Passive Brillen mit Polarisationsfiltern bieten dem Zuschauer hohe Farbtiefen und kaum Geister- bzw. Doppelbilder, weswegen sie oftmals als „flimmerfrei“ beworben werden. Zusätzlich werden empfindliche Augen keine Farbverfälschungen und Flackern wahrnehmen, wie es z.B. bei Active Shutter Brillen verursacht werden kann. Zudem sind passive 3D-Brillen im Vergleich weitaus kostengünstiger, sodass Hersteller ihren Fernsehern meist direkt fünf oder mehr Brillen beilegen.
Die Sitzposition kann dabei frei gewählt werden und bietet auch außerhalb der frontalen Ansicht d.h. aus seitlichen Blickwinkeln keinerlei Einschränkungen der Bildqualität. Die passiven Polfilterbrillen können aufgrund der identischen technischen Grundlage auch herstellerübergreifend getauscht und sogar ins Kino (Cinema 3D Technik) mitgenommen werden.
3D ohne Brille
|
|
|
Obwohl die ersten 3D-Fernseher noch nicht allzu lange im Handel zu erwerben sind, wird seitens der Hersteller fieberhaft am nächsten logischen Schritt gearbeitet: 3D ohne störende Brillen. Toshiba präsentierte im Dezember 2010 die ersten beiden brillenlosen Fernseher für den japanischen Markt. Ein Hauptproblem dieser Technik sind die verschiedenen Betrachtungsperspektiven, welche in einem typischen Wohnzimmer vorkommen und oftmals nicht fest definiert sind. Eine brillenlose Technik für einen einzelnen Betrachter veröffentliche beispielsweise kürzlich auch Nintendo mit seiner mobilen Spielkonsole 3DS. Das aufwendige an der Technik für mehrere Zuschauer ist die Tatsache, dass die Anzahl der Bildpunkte erhöht werden muss, um diese über spezielle Linsen zu reflektieren. Für einen einzelnen Betrachter muss beispielsweise die doppelte Pixelanzahl vorhanden sein (Pixel 1 immer rechtes Auge, Pixel 2 immer linkes Auge). Der kürzlich vorgestellte Toshiba-TV realisiert acht verschiedene Betrachtungswinkel mit einer Auflösung von 1280 x 720 durch die Vervielfachung von einem auf neun Bildpunkte, was zur Folge hat, dass die Flachbildschirme eine um ein Vielfaches höhere Auflösung als aktuelle 3D-Modelle besitzen müssen. Mit dem 55ZL2G hat Toshiba in diesem Jahr einen brillenlosen 55-Zoll-Fernseher auf dem europäischen Markt eingeführt.
Den ausführlichen Test zum Toshiba 55ZL2G lesen Sie in der SATVISION Ausgabe 06/2012.
Fazit
Welche 3D-Technik ist die beste für die Anwendung in den eigenen vier Wänden? Diese Frage wird uns regelmäßig gestellt! Nach dem nicht mehr zeitgemäßen Anaglyphen-Verfahren werden die nächsten Monate vor allem aus einem Zweikampf zwischen den beiden Techniken Active-Shutter und Polarisationsfilter bestehen, bis die brillenlosen Fernseher endgültig die Marktreife erlangt haben. Dabei wird das Einstiegs-Preissegment vor allem mit der Polarisationsfiltertechnik besetzt werden, welche die benötigten Brillen auch bei vielen Familienangehörigen oder Freunden für den Fußball- oder Filmabend erschwinglich macht. Dank der höheren Auflösung und der zahlreichen eingesetzen Bildoptimierungstechniken werden die Active-Shutter-Brillen in der Mittel- und High-End-Klasse positioniert werden, bis vermutlich im Laufe des Jahres 2012 die Karten neu gemischt werden.