Verändertes Nutzerverhalten
12. November 2014
Die TV-Landschaft in Deutschland wird sich bis 2020 stark verändern. Darin waren sich die Teilnehmer des ersten interaktiven Panels „Fernsehvisionen“ der M7 Deutschland auf den Medientagen München und das Publikum einig. Getrieben von der jüngeren Generation der 14- bis 29-jährigen und den heute bereits vorhandenen fixen und mobilen Endgeräte zuhause verändert sich das Nutzerverhalten beim Konsum von Bewegtbildern rasant. Während das Wachstum bei linearen Spartensendern überschaubar bleibt, wird die Zahl neuer Web-TV-Dienste durch Youtube & Co signifikant zunehmen. Unklar bleiben nach wie vor die Frage der Refinanzierung der neuen Inhalte und die Einführung einer gemeinsamen „Währung“ für Pay-TV. Zwar wird für Pay-TV eine Verdoppelung der Umsätze je Haushalt erwartet, doch sei es noch ein sehr weiter Weg bis Deutschland zum Bezahlland wird. So bleibt die Werbung für Inhalteanbieter auch in den kommenden Jahren die wichtigste Umsatzquelle. Dies wird sich auch nicht durch den Markteintritt von Netflix dramatisch verändern, da die hiesigen Marktverhältnisse und TV-Angebote nicht mit den USA vergleichbar seien. Das Podium befasste sich mit vier zentralen Thesen über den Wandel der TV-Nutzungsgewohnheiten und die daraus erwachsenden Folgen für Anbieter und Geschäftsmodelle. Besucher konnten vor und während der Veranstaltung per TED über die Thesen des Podiums abstimmen.
In ihrer These, die mit über 90 Prozent die größte Zustimmung fand, ging Nicole Agudo Berbel, SVP Distribution Sales & Key Account Management bei ProSiebenSat.1, davon aus, das bis 2020 alle 14- bis 29-jährigen täglich Videoinhalte über mobile Devices abrufen. Sie verwies auf aktuelle Zahlen ihrer Sendergruppe, nach denen das Smartphone mit sehr stark steigender Tendenz bei der Mediennutzung bereits vor der Zeitung auf Platz vier steht und der tägliche Videokonsum über mobile Endgeräte bereits heute bei 10 Minuten liegt. Auch sei die mobile Applikation 7TV, mit der alle sechs Sender von ProSiebenSat.1 live empfangbar seien, bereits über zwei Millionen Mal von Nutzern heruntergeladen worden.
Ein mit 80 Prozent ebenfalls eindeutiges Bild zeigte sich bei der These, dass es in einigen Jahren eine Vielzahl neuer TV-Sender für spezielle Zielgruppen geben wird. Zwar wird beim linearen TV, bedingt durch die Frage der Refinanzierung, nur noch ein vereinzeltes, zielgruppenorientiertes Wachstum für Spartensender erwartet. Zugleich würden jedoch virtuelle und non-lineare TV-Angebote rasch zunehmen. Dies führe zu einer noch stärkeren Fragmentierung und die Zeit zweistelliger TV-Quoten für die öffentlich-rechtlichen und privaten Platzhirsche sei bald vorbei. Allerdings machten die Podiumsteilnehmer deutlich, dass das lineare TV seine führende Rolle in den Haushalten beim TV-Konsum hat und das die Zeit der Nutzung non-linearer Inhalte in der Regel in Zukunft noch hinzukommt. Dieser These stimmten letztlich 80 Prozent des Publikums zu.
Ein geteiltes Meinungsbild zeigte sich bei der durch Stefan Liebig, Vice President Content, Distribution and Sales in Nordeuropa bei Viacom International Media Networks, vertretenen These, dass 2020 mehr als 50 Prozent der Zuschauer On Demand Inhalte schauen. Einige Teilnehmer hielten dies angesichts der hohen Qualität der linearen TV-Angebote in Deutschland für eher unwahrscheinlich. Zwar steige die Nutzung der Mediatheken, doch sei dieses Wachstum aktuell überschaubar. Zudem hätten die Gerätehersteller bei SmartTV noch nicht ihre Hausaufgaben gemacht und sei das Thema Bedienung nach wie vor der größte Bremsklotz für das Nutzen dieser Geräte für den Zugang zu On Demand Diensten. Ob der Marktstart von Netflix die Nutzung von On Demand rasch nach oben treibe, sei abzuwarten, so die Teilnehmer. Schließlich sei das Unternehmen in den USA der erste Anbieter gewesen und würde hier auf einen Markt treffen, auf dem bereits viele Akteure aktiv sind. So fand dann auch diese These mit 52 Prozent die geringste Zustimmung. Am stärksten zulegen konnte Christian Heinkele, Director TV & Regulatory bei M7 Deutschland, mit seiner These, dass sich die Pay-TV Umsätze in den deutschen Haushalten bis 2020 verdoppeln würden. Teilten vor dem Panel rund 50 Prozent des Publikums diese These, waren es am Ende fast 73 Prozent. Heinkele zitierte eine aktuelle VPRT-Studie, laut der die deutschen Haushalte aktuell 4,50 Euro monatlich für Pay-Dienste zahlen. Zugleich verwies er auf die sichtbar steigende Bereitschaft der Nutzer für echte Mehrwerte zu zahlen.