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Interview ARD

25. März 2021

Mittlerweile können in Deutschland die absolute TV-Zuschauer Mehrheit (rund 15 Millionen) der in Summe 17,28 Mio. Haushalte mit SAT-TV ihre TV-Programme über das Hauptempfangsgerät per Satellit in HD-Qualität empfangen – ohne jegliche Zusatzkosten im Free-TV. Dennoch hat die ARD die Verträge für die SD-Ausstahlung ihrer Programme – anders als ursprünglich geplant – über das Jahr 2020 hinaus, mit dem Satellitenbetreiber SES (Astra) verlängert. Die Sender der ARD werden somit über Satellit doppelt und somit sehr kostenintensiv parallel in SD- und HD-Qualität ausgespielt und das, obwohl die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent zumindest vorerst gescheitert ist, da das Land Sachsen-Anhalt als einziges Bundesland der Anhebung nicht zugestimmt hat. Es bleibt abzuwarten wie das angerufene Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. Doch ob nun der Rundfunktbeitrag angeboben wird oder nicht – mit welchem Hintergrund investiert die ARD in das Fernsehen von gestern in SD-Qualität und nicht mehr in Fernsehinhalte von heute und morgen in UHD-Auflösung und HDR? Denn mehr als sieben von zehn verkauften Fernseher bieten heute die UHD-Auflösung. Um die überschaubaren UHD-Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf dem Fernseher ansehen zu können, wird zwingend ein Smart TV mit schneller Internetanbindung benötigt, um auf die Mediatheken zugreifen zu können. Doch manch ein Smart TV ist nicht smart genug, um neue HbbTV-Anwendungen wie die Replay-Funktion bei ARD-Sendern nutzen zu können. Über den Rundfunkbeitrag, die verlängerte SD-Ausstrahlung, den UHD-Plan der ARD und die noch junge Replay-Funktion, für die HbbTV-Versions-Hürden zu überwinden sind, sprachen wir mit Herrn Wolfgang Wagner, Vorsitzender der PTKO (Produktions- und Technikkommission der ARD) und Direktor Produktion und Technik des WDR.

SATVISION: Welche Auswirkungen hat die gescheiterte Anhebung des Rundfunkbeitrags für das Programmangebot der ARD?

Wolfgang Wagner: In der Tat sollte der Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2021 zum ersten Mal seit zwölf Jahren steigen – um 86 Cent. Dazu kam es vorerst nicht, da das Land Sachsen-Anhalt als einziges Bundesland diese Anpassung des Rundfunkbeitrags nicht ratifiziert hat. Daraufhin haben ARD, ZDF und Deutschlandradio das Bundesverfassungsgericht angerufen. Eine Entscheidung steht noch aus. Was das konkret bedeutet: Für unser Publikum steht natürlich unser Programm im Vordergrund, das gerade in Corona-Zeiten besonders wertgeschätzt wird. Wir wollen aktuell den Schaden vom Programm weitestgehend fernhalten. Zugleich können wir unsere Programmangebote aber nicht ausklammern, wenn wir nun unsere Finanzplanungen prüfen.

SATVISION: Wo sehen Sie im Hause der ARD Einsparpotential?

Wolfgang Wagner: Wir heben bereits an vielen Stellen kontinuierlich Einsparpotentiale und treiben dies auch konsequent weiter voran. Für meinen Bereich kann ich zum Beispiel sagen, dass wir wo immer möglich, Inhalte medienübergreifend produzieren – sowohl auf der Ebene der Landesrundfunkanstalten als auch in unserem Medienverbund. Wir kooperieren überall dort, wo wir dadurch besser und effizienter werden, und vereinheitlichen, standardisieren und synchronisieren Abläufe in Technik, Produktion und Programmverbreitung.

SATVISION: In den letzten Tagen war oftmals von einer möglichen Fusion, sprich Zusammenführung von ARD und ZDF zu lesen. Handelt es sich hierbei um ein Gerücht oder ist es in Ihren Augen eine sinnvolle Option?

Wolfgang Wagner: Es handelt sich um eine Reformidee aus der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Eine unter vielen Reformideen, die gerade aufgeworfen werden.

SATVISION: Im Februar 2020 haben die Senderchefs entschieden, die SD-Ausstrahlung der ARD-Programme über Satellit im Januar 2021 zu beenden und die Sender sodann ausschließlich in HD-Qualität zu übertragen. Diese Entscheidung wurde dann später im Jahr wieder verworfen und die Verträge für die SD-Übertragung mit dem Satellitenbetreiber Astra verlängert. Mit welchem Hintergrund halten Sie für eine absolute Minderheit (rund 2,5 Mio. von etwa 17,28 Mio. Satelliten-Haushalten in Deutschland) an dem Fernsehen von gestern in SD-Qualität mit nicht unerheblichen Kosten für die Ausstrahlung fest, wo obendrein doch die Fernseher in den heimischen Wohnzimmern seit Jahren immer größere Bildschirmdiagonalen aufweisen und SD-Inhalte – je größer der Fernseher – nicht wirklich schön anzusehen sind? Darüber hinaus werden HD-Receiver für das Satellitenfernsehen bereits für unter 50 Euro im stationären Fachhandel – online sogar noch weitaus günstiger – angeboten. Somit hält sich auch die Investition, die eine deutlich bessere Bildqualität mit sich bringt, für die Haushalte in Grenzen.

Wolfgang Wagner: Zunächst einmal ist die von Ihnen genannte Zahl von 2,5 Mio. Satelliten-Haushalten keine absolute Minderheit und beschreibt auch nur den Hauptempfang in einem Haushalt. Dazu kommen noch viele Zweit- und Drittgeräte, die ebenfalls ersetzt werden müssten. Weiter dient die SD-Ausstrahlung über Satellit vielen Kabelnetz- und IPTV-Anbietern als Programmzuführung.Wolfgang Wagner: Zunächst einmal ist die von Ihnen genannte Zahl von 2,5 Mio. Satelliten-Haushalten keine absolute Minderheit und beschreibt auch nur den Hauptempfang in einem Haushalt. Dazu kommen noch viele Zweit- und Drittgeräte, die ebenfalls ersetzt werden müssten. Weiter dient die SD-Ausstrahlung über Satellit vielen Kabelnetz- und IPTV-Anbietern als Programmzuführung.
Die Entscheidung die SD-Ausstrahlung über das Jahr 2020 hinaus zu verlängern, ist uns nicht leicht gefallen, war aber auf Grund der Rahmenbedingungen infolge der Corona-Krise unausweichlich. Die erforderlichen Kommunikationsmaßnahmen hätten nur eingeschränkt umgesetzt werden können. Gerade am Anfang der Pandemie wäre es sehr schwierig geworden, den Fokus der Zuschauer*innen auf einen bevorstehenden Technologiewechsel zu lenken. Hinzu kommt, dass wir die Betroffenen nicht durch eine Neuanschaffung zusätzlich finanziell in Pandemiezeiten belasten wollen. Wir sehen uns aufgrund der Situation der letzten Monate bestätigt, damals die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

SATVISION: Bislang hat die ARD mit Blick auf die Ausstrahlung von Ultra HD sowie HDR-Inhalten mit absoluter Zurückhaltung geglänzt, obwohl mittlerweile mehr als sieben von zehn (73 Prozent) aller verkauften Fernseher in Deutschland Ultra HD-tauglich sind – Tendenz weiter steigend. Ist es Ihrer Ansicht nach jetzt nicht höchste Zeit in das Fernsehen von heute und morgen zu investieren und entsprechendes Engagement im Bereich UHD und HDR zu zeigen und Taten, sprich Inhalte folgen zu lassen? Welche Pläne verfolgt die ARD in Bezug auf UHD und HDR?

Wolfgang Wagner: Nicht nur die ARD, sondern auch die meisten anderen Rundfunkanstalten halten sich bei UHD noch zurück. Für die lineare Verbreitung im Broadcast wird derzeit auch noch kein UHD-Kanal im 24/7-Betrieb gesehen. Wir beobachten die Marktentwicklung vielmehr dahingehend, dass zunächst ausgewählte eventbezogene Übertragungen stattfinden werden. Die ARD wird sich somit bei UHD-Produktionen auf ausgewählte einzelne Sendungen und Events fokussieren, die einen Mehrwert durch UHD zunächst mit erhöhter Auflösung, erweitertem Kontrast und erweitertem Farbraum erfahren. Aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird als Distributionsweg für einzelne UHD-Sendungen zunächst das Streaming für On-Demand-Abruf (v. a. über die Mediatheken) und das Livestreaming präferiert. Erste Sendungen sind bereits in der ARD-HbbTV- Mediathek abrufbar, so z. B. seit November 2020 „Die Story- Reparieren statt Wegwerfen“.

SATVISION: Wann halten Sie den Regelbetrieb eines ersten (linearen) UHD-Senders der Öffentlich-Rechtlichen für realistisch und über welchen Empfangsweg wird dieser Ihrer Einschätzung nach seine Premiere feiern?

Wolfgang Wagner: Das kann ich Ihnen seriös heute nicht beantworten. Die sofortige Ausstrahlung von UHD mit HDR würde eine vollständige Parallelität zur heutigen HD-SDR Ausstrahlung bedeuten – mit hohem finanziellen Aufwand. Auch stehen fehlerfreie und vollautomatische Lösungen für die HDR-SDR-Konvertierung (Tone Mapping und Inverse Tone Mapping) heute noch nicht zur Verfügung. Die ARD befasst sich ungeachtet dessen sehr intensiv mit diesen Themen und verbessert kontinuierlich die technische Qualität ihrer Programme. Die notwendigen Investitionen müssen gleichzeitig wirtschaftlich sein. Entsprechend investiert die ARD mit Augenmaß unter Beachtung der gebotenen Wirtschaftlichkeit kontinuierlich dort, wo neue Infrastrukturen entstehen, schon heute in UHD/HDR-fähiges Equipment.

SATVISION: Allein in den ersten neun Monaten 2020 wurden rund 4,1 Mio. Smart TVs in Deutschland verkauft. Allerdings sind viele Fernseher (und auch Set-Top-Boxen) oftmals nicht smart genug, um die noch relative junge durchaus erstklassige Replay-Funktion über HbbTV nutzen zu können, sprich eine bereits angefangene Sendung einfach über die blaue Taste (Blue Button) auf der Fernbedienung neu zu starten. Denn um die Replay-Funktion bei Sendern der ARD nutzen zu können, wird – anders als bei den Kanälen des ZDF – mindestens die Unterstützung der HbbTV Version 2.0.1 benötigt. Darüber hinaus gibt es auch Sonderlösungen wie beispielsweise beim TV-Hersteller Metz. Trotz einer vermeintlich zu geringen HbbTV-Version 1.5 ist es mit Metz-Fernsehern möglich, die Replay-Funktion bei ARD-Sendungen zu nutzen. Wie sollen TV-Zuschauer hier den Überblick behalten? Handelt es sich nicht eher um ein „HbbTV-Chaos“? Mit welchem Hintergrund verwehren Sie einem Großteil der Haushalte die Nutzung der Replay-Funktion, da keine tauglichen Empfangsgeräte vorhanden sind?

Wolfgang Wagner: Die ARD möchte ihren Zuschauer*innen ein verlässliches Replay-Angebot bieten, welches auch ohne technisches Hintergrundwissen nutzbar ist. Damit es bei den Zuschauer*innen nicht zu ungewollten Fehlfunktionen kommt, wird die Replay-Funktion daher nur bei Geräten ab HbbTV – Version 2.0.1 angezeigt, bei denen die fehlerfreie Nutzung sichergestellt werden kann. Der wichtige Punkt aus Zuschauersicht ist: Die realisierte Lösung erlaubt es, die Replay-Funktion für jede Sendung zu nutzen. Sie funktioniert auch bei Live-Sendungen.

SATVISION: Gestatten Sie uns an dieser Stelle zwei private Fragen. Welchen TV-Empfangsweg nutzen Sie in Ihrem privaten Zuhause und was für ein Fernseher steht in Ihrem Wohnzimmer?

Wolfgang Wagner: Ich nutze alle Empfangswege und habe im Wohnzimmer einen UHD-fähigen 50“-Flatscreen stehen.

SATVISION: Bitte vervollständigen Sie zum Abschluss den folgenden Satz. Dass die ARD – anders als andere sowohl öffentlich rechtliche als auch private TV-Sender – bislang keine UHD- und HDR-Inhalte anbietet liegt darin begründet, dass…

Wolfgang Wagner: …diese Aussage zunächst einmal falsch ist. Tatsächlich sind in der ARD-HbbTV-Mediathek bereits UHD-Inhalte abrufbar, z. B. „Die Story – Reparieren statt Wegwerfen“. Weitere Sendungen werden folgen.

SATVISION: Vielen Dank für dieses Gespräch.

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