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DVB-T2-Einführung in Deutschland 2016

01. Oktober 2014

Im Frühjahr 2016 sollen hierzulande die ersten DVB-T2 Sender an den Start gehen und erstmals auch HD-Fernsehen über Antenne ermöglichen. Die Sender hatten bislang eine „weiche“ Übergangszeit bis 2019 im Blick. Doch nun hat sich Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur für einen harten Umstieg ausgesprochen, um so bereits im Jahr 2017 erste Frequenzen des 700 MHz-Bandes an Anbieter von Breitbanddiensten zu veräußern.

Michael MoskobMichael Moskob, Leiter Regulierung und Public Affairs, MEDIA BROADCAST

Holger MeinzerHolger Meinzer, Leiter Business Unit TV, MEDIA BROADCAST

Zu der bevorstehenden DVB-T2-Umstellung sprachen wir mit Herrn Michael Moskob und Herrn Holger Meinzer von Media Broadcast, die den Aufbau einer Plattform im DVB-T2 Standard planen. Anders als bei unseren europäischen Nachbarn kommt in Deutschland mit DVB-T2 der hocheffiziente Kodierstandard H.265 (HEVC) zum Einsatz – dieser erfordert entsprechende Endgeräte die allerdings noch nicht am Markt erhältlich sind.

SATVISION: Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat sich im August auf einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Digitalen Agenda 2014 bis 2017 für einen harten Umstieg von DVB-T auf den neuen Übertragungsstandard DVB-T2 ausgesprochen. Denn 2017 sollen erste Frequenzen des 700 MHz- Bandes bereits für Breitbanddienste nutzbar sein. Welche Gefahren birgt ein schneller Umstieg ohne große Übergangszeit für die Haushalte, die ihre TV-Programme über den terrestrischen Weg empfangen?

Moskob: Gemeinsam mit allen Marktteilnehmern und unter Koordination der Landesmedienanstalten planen wir derzeit die Einführung von DVB-T2 in Deutschland. Die neue Terrestrik wird dem Zuschauer unter Nutzung des effizienten Komprimierungsstandards HEVC einen signifikanten Anstieg des Programmangebotes öffentlich-rechtlicher und privater Programmanbieter per Digitalantenne bringen, auch in hochaufgelöster Programmqualität. Hinzu kommt die Hybrid TV-Plattform multithek der MEDIA BROADCAST mit On demand- und Streaming-Content. Damit machen wir die Digitalterrestrik noch attraktiver für die Zuschauer. Zugleich sichern wir die Aktuell Intervi ew Zukunftsfähigkeit dieses bei Sendern und Endverbrauchern gleichermaßen nachgefragten Rundfunkverbreitungsweges. Für diesen Entwicklungsschritt zu DVB-T2 müssen – wie im Koalitionsvertrag im Übrigen klar festgehalten – indes die notwendigen Frequenzressourcen im 700 MHz-Band erhalten bleiben, um den Umstieg so verbraucherfreundlich wie möglich zu gestalten. Die Bundespolitik schürt bzgl. der Geschwindigkeit und des Zeitpunkts der Migration auf DVB-T2 Erwartungen, die technische Gegebenheiten und die Komplexität des Umstellungsprozesses außer Acht lassen und daher wenig realistisch sind. Ein übereilter Frequenzentzug würde die Akzeptanz und damit die Zukunft des Verbreitungsweges insgesamt gefährden. Das will niemand. Wir vertrauen daher fest darauf, dass die Bundesregierung weiter zur Zusage des Koalitionsvertrages steht und den Übergang zu DVB-T2 frequenztechnisch geordnet erfolgen lassen wird. Entsprechendes hat der jüngst vorgestellte Bericht der europäischen High Level Group an die EU-Kommission unter Vorsitz von Pascal Lamy gefordert: dem Rundfunk solle ein flexible Übergangszeitraum bis 2020 – plus/minus zwei Jahre eingeräumt werden. Probleme für die Zuschauer sehen wir insofern nicht. Im Gegenteil: Sie werden von einem zukunftssicheren, digitalen Antennenfernsehen profitieren, das Angebote und Dienste auf Augenhöhe mit anderen Rundfunkverbreitungswegen bieten wird.

SATVISION: Wie wahrscheinlich ist Ihrer Einschätzung nach aktuell noch eine Simulcastphase zwischen dem alten DVB-T und dem neuen DVB-T2 Standard?

Moskob: Wie gesagt, wir gehen davon aus, dass die Bundespolitik einen geordneten Übergang zu DVB-T2 gewährleistet – mit Simulcastphasen. Aktuell finden Gespräche unter der Ägide der Medienanstalten zwischen allen Beteiligten statt, um u.a. die verschiedenen technischen Fragen dieses Übergangs einschließlich der Frage des Simulcastbetriebes abzustimmen. Erklärtes Ziel ist wie erwähnt: Der Umstieg soll so verbraucherfreundlich wie möglich gestaltet werden, damit die Zuschauer genügend Zeit haben, sich geeignete Endgeräte anzuschaffen. Sobald die laufenden Gespräche beendet sind, wird es eine frühzeitige Kommunikation an die Zuschauer geben, damit entsprechende Planungssicherheit besteht. Das Machbare liegt am Ende nicht in der Hand des technischen Umsetzers. Je schneller dem Rundfunk die Frequenzen für die Digitale Dividende entzogen werden, desto kürzer fällt die Simulcast-Phase aus. Die Zeche zahlt am Ende immer der Verbraucher.

SATVISION: Wie weit sind Sie in der Zwischenzeit mit den Planungen zur DVB-T2-Einführung in Deutschland vorangeschritten? Sind Sie im Zeitplan?

Meinzer: Der Zeitplan ist ambitioniert, aber realistisch. Wir sind voll im Plan. Der Aufbau der neuen DVB-T2 Plattform soll ab Frühjahr 2016 erfolgen. Dann beginnt für die Zuschauer ein neues Zeitalter: Mehr Programme, auch in HD-Qualität, Abrufdienste sowie neue Dienste und Services. Rund 20 Prozent der Sendeanlagen sollen 2016 bereits auf DVB-T2 umgestellt werden. Ab 2017 folgt der Wechsel der öffentlich-rechtlichen TV-Programme auf DVB-T2. Mitte 2019 wird – so die aktuellen Planungen – der Prozess vollständig abgeschlossen sein. Als nächsten Schritt starten wir im Herbst ein DVB-T2 Pilotprojekt in Berlin. Hier erproben wir den neuen DVB-T2 Standard in Kombination mit HEVC/ H.265 im statistischen Multiplex. Der Test läuft bis Ende April 2016.

SATVISION: Welche Punkte müssen jetzt akut geklärt werden?

Meinzer: Mit dem DVB-T2 Piloten starten wir eine weitere, wichtige Etappe, die bei der Klärung offener Punkte helfen wird: Wie funktioniert die Broadcastkette unter DVB-T2 und HEVC über alle Prozesse hinweg, welche Systemparameter eignen sich am besten etc. Sendern und Endgeräteherstellern steht dabei ein optimales Testumfeld zur Verfügung, um die neuen technischen Standards zu erproben. Des Weiteren sind zudem die bereits erwähnten frequenzpolitischen Rahmenbedingungen zu klären. Hier benötigen wir von Bund und Ländern rasch Klarheit. Schließlich benötigen wir von den Ländern noch das grüne medienpolitische Licht für das beabsichtigte Vorgehen. Ergo: Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt. Der Grundstein für eine zukunftsfähige Digitalterrestrik ist gelegt. DVB-T2 ist „ready to go“!

SATVISION: Haben Sie bereits gemeinsam mit den Sendern einen genauen Starttermin für DVB-T2 ins Auge gefasst?

Meinzer: Ein detailliertes Startszenario wird derzeit ebenfalls mit allen Beteiligten erörtert und entlang der Rahmenbedingungen entwickelt. Geplant ist wie erwähnt der Start der DVB-T2-Plattform im Frühjahr 2016.

SATVISION: Wann und wo (Gebiet und Kanal) werden Sie mit den ersten DVB-T2-Testausstrahlungen für die Industrie beginnen, um beispielsweise Set- Top-Boxen und Fernseher mit integrierten DVB-T2-Tunern testen zu können?

Meinzer: Das Pilotprojekt startet im Herbst 2014 in Berlin. Die Verbreitung des Testsignals erfolgt im Kanal 42 über die Senderstandorte Alexanderplatz und Schäferberg mit einer Leistung von jeweils 50 kW ERP. Dabei werden unterschiedliche Systemparameter getestet und der CE-Industrie ein Testbett zur Integration von Empfangsgeräten zur Verfügung gestellt. Nähere Details zum Versuch werden wir in wenigen Wochen bekanntgeben.

SATVISION: Die privaten Sender wollen, anders als die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, ihre TV-Sender ausschließlich verschlüsselt in HD-Qualität via DVB-T2 verbreiten. Welches Verschlüsselungssystem wird für die verschlüsselten privaten Programme zum Einsatz kommen? Werden Sie auf Smart- Cards oder auf ein kartenloses (cardless) System setzen?

Meinzer: Die Gestaltung des Produkts und der technischen Plattformen sind gegenwärtig noch Gegenstand von Überlegungen. Eine Entscheidung für konkrete Verschlüsselungssysteme ist noch nicht erfolgt.

SATVISION: Mit welchen Kosten müssen diejenigen Haushalte pro Jahr rechnen, welche die verschlüsselten privaten Sender via DVB-T2 empfangen möchten?

Meinzer: Wir bitten um Verständnis, dass wir in punkto Preisgestaltung derzeit noch keine konkreten Angaben machen können. Dies ist ebenfalls Gegenstand aktueller Überlegungen. Soviel können wir aber schon sagen: das terrestrische Fernsehen wird nach wie vor einer der günstigsten, wenn nicht der günstigste TV-Empfangsweg schlechthin bleibt. Und einfach und nutzerfreundlich bleibt er selbstverständlich auch. DVB-T2 wird dem Zuschauer daher einen hervorragenden TV-Zugang bieten.

SATVISION: Wann werden Ihrer Einschätzung nach die ersten DVB-T2 (HEVC/ H.265) tauglichen Endgeräte auf den Markt kommen?

Meinzer: Das Projekt zur DVB-T2 Umstellung befindet sich voll im Zeitplan. Wir sind daher zuversichtlich, dass spätestens 2016 eine ausreichend große Population an HEVC- fähigen DVB-T2 Empfängern bereitstehen wird. Erste Geräte erwarten wir jedoch schon im Jahr 2015.

SATVISION: Bitte vervollständigen Sie den folgenden Satz: Ein harter Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 ohne Übergangszeit bedeutet für Haushalte, die ihre TV-Programme über Antenne empfangen, dass …

Moskob: … sie die Leidtragenden einer Abkehr von der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen frequenzpolitischen Zusage wären.

SATVISION: Vielen Dank für das Gespräch.

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