ANGA erwirkt Grundsatzurteil zu den Weitersenderechten für TV und Hörfunk
13. März 2023
In einem mehrjährigen Rechtsstreit über die Lizenzierung der Weitersenderechte für Fernseh- und Hörfunkprogramme hat der Breitbandverband ANGA ein fundamental wichtiges Urteil gegen eine deutsche Verwertungsgesellschaft erwirkt.
Auf eine Klage des Verbandes hat das Oberlandesgericht München einen neuen Gesamtvertrag festgesetzt. Der Gesamtvertrag regelt, zu welchen Konditionen die Mitgliedsunternehmen des Verbandes die Rechte für die leitungsgebundene Weitersendung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen erwerben können. Umfasst wird sowohl klassisches Kabelfernsehen als auch die Verbreitung im IP-Standard, z.B. über Glasfasernetze. Eingeräumt werden dafür Urheber- und Leistungsschutzrechte privatwirtschaftlicher Fernseh- und Hörfunkunternehmen.
Das Gericht hat in seinem 105-seitigen Urteil zahlreiche Mehrforderungen der Verwertungsgesellschaft gegenüber dem bis 2016 bestehenden Gesamtvertrag zurückgewiesen. Das betrifft u.a. die Höhe des Vergütungssatzes, die Bedeutung von Daten z.B. im Rahmen von IPTV und die Einführung von sogenannten Mindestbemessungsgrundlagen.
Nach dem Urteil bleiben die Vergütungssätze auf dem Niveau des Tarifs von 2012. Besonders bedeutsam: Für Endkundenumsätze gelten weiterhin keine festen Mindestbemessungsgrundlagen, es bleibt grundsätzlich bei einer prozentualen und damit für beide Seiten fairen Vergütung. Die Bemessungsgrundlage besteht aus den tatsächlich erzielten Erlösen. Nach den Feststellungen des Gerichts gilt insoweit „ein strenger Wirklichkeitsmaßstab ohne pauschalierende Vergütungsbestandteile“. Daraus lässt sich die zentrale Erkenntnis ableiten, dass auch für die digitale Medienverbreitung weiterhin der Grundsatz gilt, dass Rechtenutzer nur für solche Umsätze Vergütungen an die Rechteinhaber zahlen müssen, die sie tatsächlich erwirtschaften, nicht aber für rein fiktive Einnahmen, die sich die Rechteinhaber vorstellen können.
Das Urteil ist von besonderer Bedeutung, denn es handelt sich um die erste Entscheidung des in Deutschland für urheberrechtliche Gesamtverträge zentral zuständigen Oberlandesgerichts über die Vergütungsparameter für Weitersenderechte.
ANGA-Geschäftsführer Dr. Peter Charissé: „Wir sind mit dem Urteil des Oberlandesgerichts sehr zufrieden. Die umfangreichen Feststellungen werden für alle weiteren Lizenzverhandlungen über Kabelfernsehen, IPTV und auch TV-Angebote im offenen Internet (OTT-TV) von großer Bedeutung sein. Die ausführlich begründete Entscheidung bietet zugleich die Chance auf branchenweiten Rechtsfrieden, damit Fernsehveranstalter und Plattformbetreiber gemeinsam innovative Medienangebote entwickeln können, um zum Vorteil aller Beteiligten im Wettbewerb mit internationalen Streaming-Angeboten bestehen zu können.“
Der festgesetzte Gesamtvertrag hat eine Mindestlaufzeit von 2018 bis Ende 2028. Der Klage war eine Kündigung des bis 2016 bestandenen Gesamtvertrags durch die Verwertungsgesellschaft und ein Schiedsverfahren bei der amtlichen Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) vorausgegangen. Gegen deren Einigungsvorschlag hatte die beklagte Verwertungsgesellschaft Widerspruch eingelegt.
Gegen das Urteil ist die Revision zulässig. Der Bundesgerichtshof nimmt jedoch nur eine eingeschränkte Überprüfung vor, denn die Festsetzung eines Gesamtvertrags ist eine rechtsgestaltende Entscheidung gemäß § 130 VGG, für die dem Oberlandesgericht ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird.
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