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TV-Streaming im Ausland

10. April 2018

Bislang war es auf Reisen im EU-Ausland aufgrund des sogenannten Geoblocking nicht ohne Weiteres möglich, auf den heimischen Account von kostenpflichtigen TV-Streamingdiensten wie Sky go, waipu.tv, Zattoo oder von VoD-Anbietern wie Amazon Prime, Netflix und Co. zuzugreifen. Mit der Portabilitätsverordnung des EU-Parlaments und des Rates vom 24. Mai 2017 ändert sich dies nun. Seit Anfang April fallen die innereuropäischen Grenzen auch beim Streamen von Filmen und Serien. Um etwa im Urlaub oder auf Geschäftsreise im EU-Ausland den heimischen Tatort oder die Lieblingsserie genießen zu können, reicht zukünftig ein Internetanschluss im Ferienhaus oder WLAN im Hotelzimmer aus. Bei welchen Online-Inhaltediensten Nutzer von der Verordnung profitieren und welche Inhalte im EU-Ausland weiterhin nicht verfügbar sind, haben wir auf den folgenden Seiten festgehalten. Zudem sprachen wir mit einem Rechtsanwalt für Medien-, Urheber- und Wirtschaftsrecht über die konkreten Folgen für Nutzer und welche Kostenfallen dennoch beim Streamen im Ausland bestehen.

Wussten Sie schon, …
dass Geoblocking auch im Online-Handel verboten wird? Ab Weihnachten 2018 können Verbraucher laut EU-Kommission damit beliebige Waren wie Möbel und Spielzeug oder Dienstleistungen wie Hotelübernachtungen innerhalb der ganzen EU ebenso online einkaufen wie zu Hause. Die Verbraucher werden dann unter anderem nicht mehr auf Websites mit nationalen Angeboten umgelenkt.

Nachdem im vergangenen Jahr bereits die Roaming-Gebühren für Telefonate und mobile Datennutzung innerhalb der EU abgeschafft wurden, haben das Parlament und der Rat der Europäischen Union einen weiteren Schritt unternommen, um das digitale Leben in der EU zu vereinfachen. Die bereits Anfang April in Kraft getretene Portabilitätsverordnung des EU-Parlaments und des Rates vom 24. Mai 2017 sieht vor, „dass die Abonnenten von portablen Online-Inhaltediensten, (…), während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitzmitgliedstaat auf diese Dienste zugreifen und sie nutzen können.“ Damit können Nutzer neuerdings auch im Ausland wie gewohnt und zu gleichen Konditionen auf ihren heimischen (VoD-)Account zugreifen, um etwa die Fußball-Partie live mit heimischem Ton im Hotel weiterzuschauen oder den Hollywood-Blockbuster im Ferienhaus zu streamen. Ausnahmen für streng lizenzrechtlich geschützte Inhalte sind allerdings nicht auszuschließen. Die Formulierung „vorübergehender Aufenthalt“ bezieht sich auf einen Zeitraum von rund 30 Tagen. Zusätzliche Kosten dürfen im Ausland ausdrücklich nicht entstehen, drohen auf Flug- oder Schiffsreisen aber unter Umständen dennoch (siehe auch das Interview am Ende dieser Seite). Auch die (Bild)qualität der angebotenen Streams bleibt, sofern der Anbieter nicht vorher auf Änderungen derselben hinweist, gemäß der Verordnung in der gewohnten und gebuchten Auflösung erhalten. Der Wohnsitz der Anwender darf unter anderem per Bankdaten oder Rechnungsanschrift verifiziert werden, um „Missbrauch“ der Nutzung im Ausland vorzubeugen. Weiterhin untersagt bleibt beispielsweise die Buchung eines spanischen Netflix-Accounts durch einen deutschen EU-Bürger oder umgekehrt.

EU-weites Streaming – aber ohne Mediatheken und kostenlose Live-TV-Streams

Geoblocking ade

Geoblocking bedeutet, dass der Dienst nur von Bewohnern des jeweiligen Landes gebucht werden darf. So wurde etwa bislang ein deutscher Urlauber in Spanien daran gehindert, sich via Internetverbindung in seinen heimischen Amazon Prime- oder Netflix-Account einzuloggen und auf die Inhalte zuzugreifen. Dies gelang nur etwa via VPN-Verbindung, was zwar nicht illegal ist, aber gegen die AGB der Anbieter verstößt und eine Sperrung des Dienstes zur Folge haben kann. Mit der EU-Portabilitätsverordnung fallen diese Unannehmlichkeiten weg. So gewährt beispielsweise die RTL-Gruppe den Nutzern der kostenpflichtigen Mediatheken-Plattform TV Now Plus den EU-weiten Zugang zu allen verfügbaren Inhalten. Kostenlose Catch-Up Inhalte, die über die URL tvnow.de verfügbar sind, fallen demgegenüber nicht unter die EU-Portabilität. Kostenlose VoD-Portale wie Netzkino werden ebenfalls in der Verordnung erwähnt. IPTV-Dienste wie EntertainTV der Deutschen Telekom und die IPTV-Angebote von Vodafone sind von der Verordnung nicht betroffen, da diese an feste deutsche DSL-Anschlüsse und somit standort- beziehungsweise infrastrukturgebunden sind. Die mobilen Streamingdienste beider Anbieter, also das mobile Fernsehen EntertainTV und die GigaTV-App von Vodafone, sind hingegen auch im EU-Ausland nutzbar. Sowohl die Telekom als auch Vodafone haben die EU-Verordnung fristgerecht zum April umgesetzt.

Die Öffentlich-Rechtlichen

Weiterhin im EU-Ausland gesperrt bleiben Mediatheken-Inhalte der Öffentlich-Rechtlichen. Ebenso sieht es beim ungehinderten Online-Zugriff auf die Live-Streams der öffentlich-rechtlichen Sender aus. Hier ist für den Empfang von Das Erste, ZDF und Co. also nach wie vor eine (mobile) Satellitenantenne die erste Wahl. Die Online-Verordnung bezieht sich ausdrücklich nicht auf „Dienste“, die durch eine Gebühr wie die Rundfunkabgabe finanziert werden. Hierfür bedarf es der Neuordnung der „Kabel- und Satelliten-Verordnung“ (CabSat), deren Verhandlung derzeit im Gange ist. Die CabSat-Verordnung regelt unter anderem die Frage, ob EU-Bürger aus gleich welchem EU-Land auf Live-Streams oder Mediathekeninhalte von Sendern aus anderen EU-Ländern zugreifen dürfen oder nicht. Der Ausgang der Verhandlungen sowie die konkrete Ausgestaltung der Verordnung ist offen beziehungsweise umstritten. Ein Streitpunkt ist die Vertragsfreiheit bei Film- und Fernsehproduktionen, die die Produzenten gefährdet sehen und dementsprechend um Einbußen bei den Lizenzeinnahmen fürchten, da diese ihrer Ansicht nach nicht mehr für jedes Land einzeln veräußert werden können. Andere, wie der sozialdemokratische Berichterstatter Tiemo Wölken, weisen daraufhin, dass nach wie vor die Möglichkeit besteht, entsprechende Klauseln in die Verträge aufzunehmen, um zum Beispiel den Vertrieb oder Verkauf von TV-Produktionen geographisch zu begrenzen.

TV-Streaming

Als erster hiesiger TV-Streaminganbieter hat Zattoo bereits Anfang des Jahres auf die Verordnung reagiert und gestattet es allerdings nur Nutzern mit deutschem Premium-Account, alle Fernsehinhalte, die diese auch hierzulande sehen, nun auch im EU-Ausland zu schauen. Die Umstellung erfolgt automatisch. Bei waipu.tv bezieht sich die Verordnung auf alle Pakete, die eine Mobiloption beinhalten, die also eine Nutzung außerhalb des eigenen Heimnetzwerkes ermöglichen. Aktuell sind dies das Perfekt-Paket oder ein Comfort-Paket mit hinzugebuchter Mobiloption. Damit können Anwender der entsprechenden waipu.tv-Pakete ihre Inhalte über das Mobilfunknetz im Ausland streamen. Auch die Nutzungsmöglichkeit über ein WLAN im EU-Ausland wird nach waipu.tv-Angaben aktuell umgesetzt und voraussichtlich im Sommer verfügbar sein. Der Live-TV-Anbieter Magine TV hat die Verordnung fristgemäß zum April 2018 umgesetzt. Auch Magine-Nutzer benötigen ein Bezahl-Abo, aktuell zum Beispiel Comfort HD oder Deluxe HD, um Magine TV im EU-Ausland nutzen zu können. Beim Online-Videorekorder SaveTV wird ein gültiger Save.TV-Account benötigt, um Aufnahmen auch aus dem europäischen Ausland abrufen zu können. Das Angebot des Online-Videorekorders YouTV ist nach Angaben des Unternehmens bereits seit 2005 ohne Geoblocking verfügbar.

Video On Demand

Netflix-Abonnenten haben bei Reisen im EU-Ausland weltweit Zugang zum Katalog des Landes, in dem sie sich aufhalten. Bei Buchung des UHD-Pakets stehen auch 4K-Inhalte im Ausland zur Auswahl. Die Mindestbandbreiten für SD-, HD- und UHD-Inhalte gibt Netflix mit 3, 5 und 25 Mbit/s an. Bei Amazon Prime Video sind die gebuchten Inhalte in gewohnter Form auch im EU-Ausland verfügbar. Die gebotene Auflösung hängt von der örtlichen Internetbandbreite ab. UHD-Inhalte sind somit auch im EU-Ausland streambar. Netflix und Amzon bieten bei ausgewählten Inhalten auch eine Download-Funktion. Abonnenten von Sky können nach Angaben des Pay-TV-Anbieters seit April 2018 die Inhalte von Sky Go, Sky Kids App, Sky Store und Sky Ticket auch im EU Ausland abrufen. Sky-Kunden müssen dafür nichts Spezielles tun. Der Sport-Streamingdienst DAZN hat, wie es aus Unternehmenskreisen heisst, die korrekte Umsetzung der EU-Verordnung vorbereitet und bietet auch im EU-Ausland den Zugriff auf die Inhalte, zum Beispiel die Liveübertragung der Topspiele aus der Premier League oder die Highlights der Bundesliga.

Unsere Meinung

Mit der Portabilitätsverordnung geht die EU einen Schritt in die richtige Richtung, der ganz große Wurf ist indes ausgeblieben. Zwar lassen sich nun Online-Video-Dienste wie Netflix, Amazon Prime oder Zattoo im EU-Ausland – vorübergehend – wie gewohnt weiternutzen, allerdings bleiben zum Beispiel die Mediatheken-Inhalte oder Live-Streams der Öffentlich-Rechtlichen von der Verordnung unberührt. Auch ist es beispielsweise einem deutschen EU-Bürger weiterhin nicht möglich, in Frankreich einen französischen Netflix-Account zu buchen oder ohne Beschränkungen via Web auf das spanische TV-Programm zuzugreifen. Bis zu einer echten Öffnung der digitalen Grenzen ist es also noch ein weiter Weg, der unter anderem mit der Überarbeitung der „Kabel- und Satelliten-Verordnung“ (CabSat) einhergeht, die auch das Geoblocking bei Live-Streams und Mediatheken-Inhalten aufheben soll. Hierbei ist allerdings insbesondere mit Widerstand von Produzenten und Rechteinhabern zu rechnen, die Ihre Produktionen lieber in jedem Land einzeln verkaufen möchten.

 

Nachgefragt:
Nutzung von Online-Diensten im EU-Ausland

SATVISION: In der „Verordnung EU/2017/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt“ vom 24. Mai 2017 heißt es in Artikel 1, „… dass die Abonnenten von portablen Online-Inhaltediensten, die in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat rechtmäßig bereitgestellt werden, während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitzmitgliedstaat auf diese Dienste zugreifen und sie nutzen können.“
Welche Zeitspanne ist Ihrer Meinung nach mit „vorübergehender Aufenthalt“ gemeint? Was bedeutet dies für Nutzer konkret?

Tim Hoesmann Rechtsanwalt für Medien-, Urheber- und Wirtschaftsrecht
Tim Hoesmann
Rechtsanwalt für Medien-, Urheber- und Wirtschaftsrecht

T. Hoesmann: „Vorübergehender Aufenthalt“ meint den zeitlich begrenzten Aufenthalt im Ausland. In der Begründung der Verordnung wird näher ausgeführt, der ungehinderte Zugriff erstreckt sich über die Dauer von beispielsweise Urlaubs-, oder Geschäftsreisen oder Reisen zum Zwecke der Lernmobilität. Die Verordnung selbst gibt keinen konkreten Zeitraum an. Üblicherweise wird aber ab 6 Wochen nicht mehr von einem vorübergehenden Aufenthalt gesprochen.

SATVISION: Worauf sollten Nutzer generell beim Streamen der betreffenden Dienste im EU-Ausland achten?

T. Hoesmann: Die Zusatzgebühren für Roaming innerhalb der EU sind zwar abgeschafft, aber da die Mobilfunkanbieter sich die Auslandsnutzung ihrer Kunden trotzdem noch gegenseitig in Rechnung stellen, dürfen sie bei den Leistungen Höchstgrenzen setzen. Unter anderem dürfen sie z.B. beim Datenvolumen das Tempo drosseln. Außerdem ist beim Streamen über das Mobilfunknetz auf Flug- oder Schiffsreisen zu beachten, dass die EU-Vorgabe für das Roaming nicht gilt und die Verbindung über Satellit erfolgt. Hier drohen beim Streaming über das Handy unter Umständen höhere Kosten.

Auch bei der Qualität des Streams dürfen die Anbieter Abstriche machen. Anbieter von Online-Inhalten sind nicht verpflichtet, diese im EU Ausland in der gleichen Qualität wie im Wohnmitgliedstaat anzubieten. Allerdings müssen die Abonnenten vor der Bereitstellung der Inhalte im Ausland über die bereitgestellte Qualität informiert werden.

SATVISION: Ist die Umgehung von Ländersperren, etwa bei Mediatheken-Inhalten von öffentlich-rechtlichen Sendern, via Virtual Private Network (VPN) legal?

T. Hoesmann: Wichtig sind hier vor allem die Vereinbarung mit dem Streaming-Dienst, sprich die AGB. Diesen stimmt der Nutzer zu. Der Nutzer, der die Sperre umgeht, verstößt in der Regel gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Anbieters. VPN-Verbindungen sind regelmäßig durch die AGB verboten. Ein Betrug liegt hier aber nicht vor, wenn der Nutzer lediglich „seine“ Inhalte abruft. Trotzdem können Anbieter den Zugang sperren, wenn Inhalte über eine VPN-Verbindung abgerufen werden.

SATVISION: Vielen Dank für das Gespräch!

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