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Interview Wolfgang Kerz

24. Februar 2012

Die TV-Versorgung von Mietern, Hotelgästen, Patienten und Heimbewohnern ist elementar. Daher ist es umso verwunderlicher, das sich ein erheblicher Teil der Wohnungswirtschaft, Hotels, Krankenhäuser, Wohnheime und selbst Gefängnisse bisher kaum auf das Ende des analogen Satellitenfernsehens eingestellt hat. Nachfragen bei Fachleuten und Verbandsvertretern deuten trotz umfangreicher Informationskampagnen auf immer noch vorhandene Wissenslücken bei den Verantwortlichen hin. Hinzu kommt eine unverständliche zögernde Investitionshaltung. So sind noch insgesamt rund 40.000 Kopfstellen und Gemeinschaftsanlagen für den digitalen TV-Empfang umzurüsten. Dies entspricht 400 Anlagen an jedem Werktag bis zum 30. April 2012, damit kein Bildschirm schwarz bleibt. Diese Herkulesaufgabe übernehmen Spezialisten, wie die Antennentechnik Werner Redmann GmbH aus Mainz. Das Unternehmen wurde 1958 von Werner Redmann gegründet und beschäftigt derzeit acht Mitarbeiter. Es befasst sich seit den Anfängen der Satellitenübertragung mit entsprechenden Empfangs- und Verteillösungen und arbeitet schon seit Jahrzehnten eng mit WISI zusammen. 1988 übernahm mit Wolfgang Kerz ein Mann der Praxis die Geschäftsführung und entwickelte das Unternehmen stetig weiter. Neben dem Bau von Kopfstellen mit bis zu 1.700 angeschlossenen Wohneinheiten betreibt er eigene Kabelnetze und arbeitet dabei eng mit wohnungswirtschaftlichen Unternehmen im Rhein-Main Gebiet zusammen.
SATVISION hat mit ihm gesprochen. Seine Aussagen quasi von der Front klingen ernüchternd und lassen befürchten, dass im Zuge des kommenden Investitionstsunamis sehr viele hundertausende von Bildschirmen am 1. Mai 2012 sprichwörtlich schwarz bleiben. Und dieser Zustand könnte sich für viele Betroffene noch monatelang hinziehen. 

SATVISION: Von den Verbänden und Herstellern werden aktuell je nach Quelle zwischen 30.000 und 40.000 noch umzurüstende Kopfstellen genannt. Wie sehen Sie den tatsächlichen Bedarf?
W. Kerz: Die Zahl ist eher zu niedrig. Allein bei in den 60.000 deutschen Hotelbetrieben gibt es einige Zehntausend noch nicht umgerüstete Anlagen. Die zweite große Baustelle ist die Wohnungswirtschaft. Wir haben in zwei Jahrzehnten rund 3.000 Empfangsanlagen und Kopfstellen jeder Größe mit insgesamt 30.000 angeschlossenen Haushalten im Rhein-Main-Gebiet gebaut. Teilweise betreiben wir diese Anlagen sogar in Eigenregie. In unserem Kundenbestand befinden sich aktuell allein 150 mittlere und größere Anlagen, die teilweise oder sogar noch ganz analog sind. Hinzu kommen noch sehr, sehr viele kleine umzurüstende Anlagen. Obwohl wir auf alle Betreiber aktiv zugehen und diese schon mehrfach umfangreich Informierten, sind die bisherigen Rückmeldungen sehr überschaubar.

SATVISION: Was sind die Ursachen?
W. Kerz: Betreiber der betroffenen Kopfstellen sind zumeist Hotels, Krankenhäuser, Altenheime, Wohnbaugesellschaften und Eigentümergemeinschaften. Diese Betreiber benötigen bei Investitionen traditionell und strukturell bedingt sehr viel Zeit für ihre Entscheidungen. Bei vielen ist das Thema noch nicht angekommen, manche verdrängen es und andere denken fälschlicherweise, es ist schon immer gut gegangen und es kommt ein Aufschub. Nehmen Sie das Beispiel Eigentümergemeinschaften. Ich war auf vielen Versammlungen. Diese treffen sich nur einmal im Jahr. Dann sollen zumeist ohne Fachwissen und häufig sogar ohne ausreichende finanzielle Rücklagen wichtige Investitionsentscheidungen fallen. Selbst wenn eine Entscheidung getroffen ist, vergeht bis zur Realisation erheblich Zeit. Es gibt darüber hinaus andere Probleme auf Anbieterseite. Die Hersteller von Kopfstellentechnik wie WISI sind sehr gut vorbereitet, halten aus betriebswirtschaftlichen Gründen aber keine hohen Lagerbestände vor. Hinzu kommen derzeit bei einigen wichtigen Bauteilen aus Asien Lieferzeiten von vier bis sechs Monaten. Wer jetzt nicht handelt, schaut am 1. Mai 2012 garantiert in die schwarze Röhre.

SATVISION: Merken Sie die Analogabschaltung bei Ihren Umsätzen?
W. Kerz: Ja. Unser Fachbetrieb konzentriert sich zu 100 Prozent auf Kopfstellen,  Gemeinschaftsempfangsanlagen und Einzelempfangslösungen. Ein Ladengeschäft betreiben wir nicht. Unsere Auftragslage ist sehr gut. Für die anstehenden großen Herausforderungen in den kommenden Monaten haben wir allerdings schon rechtzeitig vorausschauend geplant und halten weitere Kapazitäten vor.

SATVISION: Wie sieht die Konkurrenzsituation aus?
W. Kerz: In unserer Region gibt es nur wenige echte Wettbewerber. Bei Einzelempfangslösungen ziehen uns viele örtliche Elektrohandwerksbetriebe wegen der komplexen Messtechnik hinzu. Bei allen mittleren und größeren Anlagen erstreckt sich unser Aktionsradius über das gesamte Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus. Dies ist erstaunlich, da etwa der ZVEH behauptet, dass jeder seiner 30.000 Mitgliedsunternehmen Kopfstellen bauen kann. Es gäbe daher auch keine Engpässe auf Seiten des Handwerks. Diese Einschätzung geht völlig an der Realität vorbei. Im letzten Jahrzehnt ist die Zahl der Fachbetriebe deutlich gesunken, die sich mit TV-Empfang und Kopfstellentechnik befassen. Eine Ursache sind fehlende Nachfolger. Zudem ist die Komplexität der Technik gestiegen und hat die Qualität der Ausbildung teilweise dramatisch nachgelassen. In Wahrheit dürften sich noch maximal zwei bis drei Prozent dieser Betriebe intensiv mit dem Thema Kopfstelle befassen. Die allermeisten Elektrobetriebe konzentrieren sich doch heute in erster Linie wegen der hohen Margen auf das Geschäft mit Solaranlagen.

SATVISION: Welche Kosten kommen eigentlich auf einen potentiellen Auftraggeber bei der Umrüstung einer Kopfstelle zu?
W. Kerz: Es gibt keine allgemeingültige Faustformel. Bei Kopfstellen mit QPSK und QAM hängen die Umrüstkosten stark von den bereits vorhandenen Hausverteilungen und Infrastrukturen ab. Hinzu kommen Wünsche, wie etwa die Komplettumstellung auf Digitalempfang oder Mischformen mit re-analogisierten TV-Programmen, die vor allem Wohnbaugesellschaften, Krankenhäuser und Altenheime äußern. So können je nach Anlagengröße Kosten von 5.000 € bis weit über 20.000 € anfallen.

SATVISION: Wird die Umrüstung bei den Kopfstellen überhaupt bewältigt?
W. Kerz: Dies ist nach Stand heute völlige Illusion. Bis zum 30. April 2012 haben wir noch knapp 100 Werktage. Bundesweit müssten dann mindesten 400 Kopfstellen an jedem Arbeitstag umgebaut werden. Ich rechne zum 1. Mai 2012 mit einem bundesweiten Aufschrei bei Betroffenen sowie gigantischen Überschriften in der Zeitung mit den vier Buchstaben, wenn zehntausende Anlagen nicht umgerüstet sind. Der Abbau dieses gigantischen Investitionsrückstaus zieht sich mindestens noch bis Ende 2012  oder sogar bis Anfang 2013 hin. Ich kann nur jedem Betroffenen für den Ernstfall empfehlen, sich rechtzeitig für eine Übergangszeit eine DVB-T Antenne für seine TV-Grundversorgung zu besorgen.

SATVISION: Welchen Rat geben Sie Hausverwaltungen und Wohnbaugesellschaften?
W. Kerz: Problembewusstsein entwickeln sowie ein zielorientiertes und rasches Handeln. Diese sollten sich bei anstehenden Umrüstprojekten zuerst mit einem Planungsbüro zusammensetzen, eine bedarfsorientierte Planung und Ausschreibung erstellen und den Profi zudem die Bauabnahmen machen lassen. Dies kostet in der Regel rund 10 bis 15 Prozent der Gesamtprojektsumme. Es rechnet sich, macht Äpfel mit Äpfeln vergleichbar, vermeidet viel potentiellen Ärger in der Zukunft und sorgt für Fairness zwischen den Anbietern. In der Realität lassen sich doch heute sehr viele potentielle Auftraggeber von einem Fachbetrieb eine exakte Planung und Kostenvoranschläge erstellen, rennen zu anderen Betrieben und vergeben auf dieser Basis den Auftrag an den scheinbar günstigsten, der dann in vielen Fällen auch noch minderwertiges Material einsetzt. Leider passiert dies gerade den „besonders Cleveren“ oft genug. Die ehrlichen Betriebe verschenken wertvolle Zeit und sind die Angeschmierten.

SATVISION: Hat Ihr Betrieb genügend Fachkräfte?
W. Kerz: Ja, aber nur weil wir uns intensiv darum kümmern. Interne Schulungen und nachhaltige Fortbildung sind ein Muss für jeden Betrieb. Wir unterstützen daher aktiv die schulische Berufsausbildung und arbeiten bei Schulungen eng mit der Firma WISI zusammen. Nur wer sich intensiv mit Produkten und Lösungen vertraut macht, kann diese mit Erfolg verkaufen und einsetzen. Ein Lehrling benötigt heute Mittlere Reife, um die komplexe Technik zu verstehen. Neue Mitarbeiter bekommen bei uns eine zusätzliche sechsmonatige Ausbildung quasi on Top, da es für unsere Tätigkeit keinen klassischen Lehrberuf gibt. Neben Know-how der Elektrotechnik sind handwerkliches Geschick sowie Leidenschaft für den Beruf gefragt. Wenn es unserer Branche nicht gelingt, nachhaltig und gründlich auszubilden, werden die Engpässe langfristig für die allermeisten Fachbetriebe existenzbedrohend..

SATVISION: Neben Kopfstellen gibt es noch weit über zwei Millionen Einzelempfangsanlagen. Lassen sich diese weiter nutzen und mit welchen Kosten muss ein Haushalt bei der Umrüstung rechnen?
W. Kerz: Markenanlagen lassen sich in der Regel gut umrüsten. Ältere No-Name Produkte hingegen sollten komplett ausgetauscht werden. Für die gute Kundenbeziehung ist vor Auftragsannahme eine saubere Kalkulation der Material- und Arbeitskosten zwingend erforderlich. Hierzu kann ich nur jedem raten. Dies vermeidet auf beiden Seiten Stress. Der Kunde sollte bei den Produkten dringend auf Class-A achten, wenn er sich nicht später über die negativen Folgen von Billigprodukten ärgern will.  Für die Schüssel, Kabel, LNB, das Überprüfen der Anlage, Ausbessern von Halterungen und die Installation bei 2 bis drei Arbeitsstunden auf dem Dach kommen schnell 250 bis 300 € zusammen. Weitere Kosten fallen je nach Anlage und vorhandener Infrastruktur für Multischalter, Verteilung und Dosen im Innenbereich an.

Wir danken für das Gespräch

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