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Medienpolitik

16. Oktober 2019

Auch wenn Google, Facebook, YouTube und Co. aus der heutigen Medienwelt nicht mehr wegzudenken sind, gibt es bisher kaum Regeln, die auf diese digitalen Informationsangebote zugeschnitten sind. Das wollen die für Medienpolitik zuständigen Bundesländer nun ändern und haben daher den Medienstaatsvertrag auf den Weg gebracht, der spätestens nächstes Jahr in Kraft treten wird. Allerdings hat der vorliegende Entwurf bereits Kritik hervorgerufen, die sich unter anderem darauf konzentriert, dass Medienplattformen künftig vorgeschrieben werden soll, welche Inhalte sie privilegiert anzeigen, was einer Bevormundung des Nutzers und einer Gefährdung der Meinungspluralität gleichkäme. Wozu es einen Medienstaatsvertrag braucht, welche wichtigen Punkte darin enthalten sind und warum möglicherweise beliebte Komfortfunktionen wie Bild-in-Bild zukünftig nur noch eingeschränkt verfügbar sind, erfahren Sie hier.

Wussten sie schon …

…dass bei den 14- bis 29-Jährigen der Bewegtbildkonsum im Internet das klassische lineare Fernsehen inzwischen überholt hat? Laut der Studie „ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends“ kommt das Fernsehen in dieser Altersgruppe nur noch auf 68 Minuten pro Tag, Netflix, YouTube und Co. dagegen auf 81 Minuten. Erstmals überhaupt hat das Internet in Sachen Videonutzung also die TV-Inhalte überholt, denn 2018 lag das Fernsehen mit 88 zu 74 Minuten auch in dieser Altersgruppe noch vorn.

Die veränderte Medienlandschaft mit ihrem verstärkten Fokus auf digitale Angebote erfordert eine neue gesetzliche Ausgestaltung des Rundfunkrechts. Bislang wird dies noch durch den Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien, kurz Rundfunkstaatsvertrag, geregelt. Dabei handelt es sich um einen Staatsvertrag zwischen den 16 Bundesländern, der bundeseinheitliche Regelungen für den Rundfunk schafft. Seit einigen Jahren arbeiten die Länder an einem Nachfolgevertrag, der die Bezeichnung Medienstaatsvertrag trägt und damit schon im Namen eine Anpassung an die neue Medienwirklichkeit erkennen lässt. Es bleibt aber nicht nur bei der Anpassung der Begrifflichkeit, vielmehr soll aus einem Regelungswerk, das sich vordergründig mit der Ausstrahlung von Fernseh- und Radio-Programmen beschäftigt, ein einheitlicher Regelungsrahmen für alle Mediengattungen entstehen.

Umsetzung der EU-Richtlinie bis September 2020

Dies geschieht auch auf Druck aus Brüssel hin, wo bereits seit 2015 an einer Novellierung der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste gearbeitet wurde, die schließlich letztes Jahr im EU-Parlament verabschiedet und im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde. Damit muss die Neufassung der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis zum 19. September 2020 in nationales Recht umgesetzt werden. Zentrales Ziel der neuen EU-Richtlinie ist es, für alle audiovisuellen Medien (Fernsehsender, Video-on-Demand-Anbieter und Online-Videoplattformen) vergleichbare Rechtsvorschriften zu schaffen. Erfasst werden von der Richtlinie nun erstmals auch Video-Sharing-Plattformen, User-Generated Content, Videos, die auf Websites von Printmedien eingebunden werden und audiovisuelle Inhalte, die beispielsweise über Social-Media-Plattformen wie Facebook verbreitet werden. Die neuen Regelungen sollen dafür sorgen, dass die EU-Regulierung im Medienbereich an das digitale Zeitalter angepasst wird.

Das Verfahren

Die Regelungen zur Umsetzung der Reform der Europäischen Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste sind im Medienstaatsvertrag enthalten, so dass dieser spätestens im September 2020, wahrscheinlich aber schon deutlich früher, in Kraft treten wird. Im Anschluss an die Veröffentlichung des ersten Entwurfs zum Medienstaatsvertrag im Juli 2018 erhielt die interessierte Öffentlichkeit im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens die Möglichkeit, Stellungnahmen zum Vertragsentwurf einzureichen, was in über 1.200 Eingaben von Verbänden, Medienunternehmen und interessierten Bürgern resultierte. Anfang Juli 2019 wurde dann der 76-seitige zweite Entwurf zum Medienstaatsvertrag veröffentlicht, der erneut ein Beteiligungsverfahren vorsah, in dem binnen eines Monats Eingaben an die Länder gerichtet werden konnten. Derzeit werden die eingegangenen Stellungnahmen von der Rundfunkkommission der Länder überprüft und eine etwaige Berücksichtigung im Vertragswerk beratschlagt. Es wird damit gerechnet, dass der Medienstaatsvertrag im Anschluss daran recht zügig, eventuell bereits vor dem Jahresende 2019, in Kraft tritt.

Die Länder wollen hierbei weg von einer Gesetzgebung, in der so viele Details festgelegt sind, dass der Staatsvertrag schon kurz nach Inkrafttreten wieder überarbeitungsbedürftig ist. Deshalb enthält der Entwurf des Medienstaatsvertrags robuste, aber abstrakte Regeln, die sich auch auf neue technische Entwicklungen anwenden lassen. So wurde in den Medienstaatsvertrag etwa die neue Kategorie der Medienintermediäre aufgenommen, zu denen unter anderem Suchmaschinen, Streaming-Plattformen, aber auch Hersteller von smarten Fernsehern sowie Lautsprechern gehören und die sich künftig um neue „Gatekeeper“ erweitern lassen.

Christof Wegenast, Kaufmännischer Leiter und Stellv. Geschäftsführer von TELE 5 (Foto: © TELE 5 / Gert Krautbauer)
Christof Wegenast,
Kaufmännischer Leiter und Stellv. Geschäftsführer von TELE 5
(Foto: © TELE 5 / Gert Krautbauer)

Nachgehakt

Wir sprachen mit Christof Wegenast, Kaufmännischer Leiter und Stellv. Geschäftsführer von TELE 5.

Logo TELE 5

SATVISION: Wie ist die grundsätzliche Auffassung von Tele 5 gegenüber dem Entwurf zum Medienstaatsvertrag und welche Punkte sehen Sie besonders kritisch?

Christof Wegenast: Insbesondere TV-Sender wie Tele 5 sind für ein vielfältiges TV-Angebot in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Wir gehen neue, innovative Wege und garantieren eine inhaltliche Breite an Programmangeboten, die es so nur in Deutschland gibt. Anders als die großen Senderverbunde haben wir aber geringere Verhandlungsmacht – bei der Verbreitung sowie Auffindbarkeit unseres TV Senders und auch bei der Refinanzierung über TV Werbung – die beiden entscheidenden Schlüsselgrößen für Tele 5. Der Entwurf berührt beide Bereiche und ist damit sozusagen eine Operation am offenen Herzen der TV-Industrie allgemein und insbesondere von Tele 5.

Kann der TV-Zuschauer Tele 5 nicht sehen oder auf dem Bildschirm nicht finden, dann können wir uns auch nicht weiter refinanzieren. Der Entwurf sieht das, scheut sich aber davor, gerade uns kleinere TV-Sender bei Zugang und Auffindbarkeit gegenüber den Medienplattformen, aber auch im Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den beiden großen TV-Gruppen nachhaltig zu stärken.

SATVISION: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Änderungs-bzw. Nachbesserungswünsche?

Wegenast: Die TV-Vielfalt steht heute vor existentiellen Herausforderungen: Online-Monopolisten drängen auch in den audiovisuellen Markt und konkurrieren parallel zum Fernsehen um die Aufmerksam des Zuschauers sowie um Erlöse. Sie können aber wegen ihrer gestärkten Gatekeeper Rolle (ähnlich wie die Medienplattformen) den Zugang und die Auffindbarkeit unserer TV Sender und unserer TV-Inhalte steuern. Außerdem treiben sie die Fragmentierung unserer Inhalte voran. Der Entwurf erweitert folgerichtig die Regulierung auf Intermediäre und Medienplattformen.

Vielfalt gibt es nicht ohne eine Vielfalt an Anbietern. Dieses politische Ziel greift der Gesetzgeber bedauerlicherweise trotz zahlreicher Vorschläge von uns kleineren Anbietern an keiner Stelle des Entwurfs auf. Viele Vorschläge gehen eher in die Richtung, die großen privaten und öffentlich-rechtlichen Sender zu schützen, etwa bei der Verbreitung und bei der Auffindbarkeit. Diese Sender haben aber Verhandlungsmacht im Gegensatz zu uns kleineren TV-Sendern. Hier hätten wir uns mehr Mut und Vision gewünscht.

SATVISION: Sie haben sich mit anderen Anbietern kleinerer TV-Programme zusammengeschlossen, um Ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass vorgebrachten Vorschläge in die endgültige Fassung des Medienstaatsvertrages einfließen?

Wegenast: Das ist ein Marathonlauf und kein Sprint. Wir arbeiten deshalb schon lange gemeinsam mit den anderen TV-Anbietern medienpolitisch an unseren Forderungen, haben mehrere Stellungnahmen auf den Weg gebracht und Gespräche geführt. Viele unserer Bedenken und Lösungsansätze hat die Medienpolitik im Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen. Erstmals schreibt der Gesetzgeber etwa fest, dass TV Sender bereits auf ersten Bildschirmseite zu finden sind – ein Vorschlag unserer Initiative. Wir kleineren Sender haben im Vergleich zu den großen Sendern kaum Verhandlungsmacht gegenüber den Plattformen und sind deshalb besonders auf regulatorischen Schutz angewiesen. Der Entwurf erkennt das teilweise und stärkt die Kontrollmöglichkeiten der Medienanstalten.

Der Entwurf geht damit aus unserer Sicht in die absolut richtige Richtung. Er stärkt uns TV-Anbieter gegenüber den marktmächtigen Geräteherstellern und Plattformen, mithin Unternehmensmonopole, die heute die Bedingungen diktieren können. Für uns ist deshalb die entscheidende Frage, nicht ob wir noch Vorschläge einbringen können, sondern ob sie Bestand haben werden. Gehen die Länder den Weg also zu Ende, dann haben wir einen wichtigen Schritt zur Sicherung der TV Landschaft erreicht.

Bevorzugte Auffindbarkeit bestimmter Inhalte

Mit dem Medienstaatsvertrag sollen Auflagen für diese meinungsrelevanten Intermediären unter einem Dach gebündelt werden. Dies bedeutet, dass für Internet-Suchmaschinen, Video-Plattformen, Smart-TV-Oberflächen, Kabelnetzbetreiber und Anbieter von intelligenten Lautsprechern wie Amazon Echo oder Google Home dem Entwurf nach zukünftig Transparenzvorgaben, Diskriminierungsverbote und weitere Regulierungen gelten, wie sie bisher bereits Rundfunkanbietern vorbehalten waren. Neben neuen Verpflichtungen zum Jugendschutz sollen sie auch Must-Carry-Regelungen enthalten, die den Anbietern vorschreiben, bestimmte Inhalte auf ihren Plattformen anzubieten. Inhalten von besonderem öffentlichem Interesse soll dabei sogar eine privilegierte Sichtbarkeit garantiert werden. Konkret heißt es in der entsprechenden Passage, dass Angebote, die laut Ansicht des Gesetzgebers einen besonderen Beitrag zur individuellen oder öffentlichen Meinungsbildung leisten, auf allen Plattformen und Benutzeroberflächen – linear wie auf Abruf – bevorzugt auffindbar sein sollen.

Diese Regelung könnte dazu führen, dass existierende Marktpositionen zementiert werden, wenn einige wenige Anbieter bevorzugt werden, während andere inhaltliche Angebote diskriminiert werden. Insbesondere neue Anbieter, Start-ups und Nischendienste dürften sehr wahrscheinlich das Nachsehen haben, während etablierte Marktteilnehmer davon profitieren. Ob dies im Sinne der Meinungsvielfalt ist, darf mit einem Fragezeichen versehen werden. Je nach konkreter Ausgestaltung findet auf diese Weise zudem eine Bevormundung des Nutzers statt, die ebenfalls problematisch anmutet.

Dieser Punkt wird daher besonders kontrovers diskutiert; während sich naturgemäß insbesondere Verbände der Gerätehersteller (Bitkom, ZVEI) und Plattformanbieter (ANGA, eco) kritisch zu diesen restriktiveren Regeln für die Anbieter von Benutzeroberflächen bzw. die Plattformbetreiber äußern, sehen die großen TV-Anstalten wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk sowie die beiden Privatsenderfamilien Mediengruppe RTL und ProSiebenSat.1 dies positiv. Dazwischen positionieren sich die Anbieter von Spartenprogrammen wie Tele 5 und Sport1, die im SATVISION-Interview einerseits herausstellen, dass die Regulierung der Intermediären positiv sei, andererseits aber Sorge haben, dass sie im Hinblick auf die Auffindbarkeit gegenüber den großen Sendeanstalten noch weiter ins Hintertreffen geraten könnten.

Nachgehakt

Wir sprachen mit einem Sprecher der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen.

SATVISION: Warum ist ein Medienstaatsvertrag notwendig und was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Vorteile, die sich durch den neuen Vertrag ergeben?

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen: Angesichts der Digitalisierung und der Entwicklung neuer Verbreitungstechniken, Angebote und Geschäftsmodelle bedarf es einer Anpassung an die heutige Medienwirklichkeit. Diese neuen Angebote haben das Potential großer Vielfalt für den Nutzer, bringen gerade für die Vielfalt aber auch neue Herausforderungen. Der Entwurf des Medienstaatsvertrages soll diesen Entwicklungen Rechnung tragen. Er definiert die Schutzbereiche neu und nimmt auch Suchmaschinen, OTT-Angebote oder Benutzeroberflächen in die Pflicht. Der bisher bestehende Name „Rundfunkstaatsvertrag“ würde dem nicht mehr gerecht, deshalb „Medienstaatsvertrag“

SATVISION: Der jetzige Entwurf des Medienstaatsvertrags sieht gewisse Einschränkungen bei der Mediennutzung vor, etwa sollen Funktionen wie Bild-in-Bild oder Split-Screen, bei denen der Nutzer zwei TV-Programme gleichzeitig ansehen kann, künftig ohne Erlaubnis der beteiligten Sender nicht mehr zulässig sein. Was entgegnen Sie Stimmen, die auf dieser Grundlage konstatieren, dass der Entwurf des Medienstaatsvertrags an den bestehenden Nutzergewohnheiten vorbeigehe?

Staatskanzlei NRW: Der Vorschlag im Entwurf des Medienstaatsvertrags sieht vor, dass Medieninhalte eines Anbieters durch Dritte überblendet oder skaliert werden. Er greift insofern auch Maßgaben der Europäischen Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste auf, die bis September nächsten Jahres in nationales Recht umzusetzen sind. Beschränkt werden sollen hier Einblendungen, die durch Dritte veranlasst werden, etwa weil sie mit Empfehlungssystemen eigene kommerzielle Interessen verfolgen. Durch diese Praktiken würden die Geschäftsmodelle der Inhalteanbieter und damit letztlich die Medienvielfalt gefährdet. Der Nutzer selbst würde im konkreten Fall nicht nur mit unter Umständen unerwünschten Inhalten konfrontiert, sondern könnte im schlechtesten Falle auch nicht mehr erkennen, von wem diese stammen. Der Nutzer profitiert daher von den Regelungen, wird nicht eingeschränkt.

SATVISION: Weiterhin sollen dem aktuellen Entwurf zufolge zukünftig solche Mediendienste auf allen Plattformen bevorzugt auffindbar sein, die nach Auffassung der Länder besonders wichtig sind. Sehen Sie in der damit einhergehenden Festigung existierender Marktpositionen und Benachteiligung kleinerer Anbieter nicht eine Gefahr für die Meinungspluralität?

Staatskanzlei NRW: Der Medienstaatsvertragsentwurf enthält den Vorschlag, dass Angebote, die einen besonderen Beitrag zur individuellen oder öffentlichen Meinungsbildung leisten, für den Nutzer leicht auffindbar sein sollten. Entscheidend ist die Ausgestaltung des Beitrags, nicht seine Marktrelevanz. Insofern würden Anreize im Sinne der Vielfalt geschaffen, die etwa besondere Informationsangebote oder ihre barrierefreie Gestaltung würdigen.

Das Ende für die Bild-in-Bild-Funktion?

Vielfach werden Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen restriktiven Handhabung des sogenannten Überblendungsverbots geäußert. Laut dem Entwurf des Medienstaatsvertrags sollen Überblendungen und Skalierungen des TV-Bildschirms künftig unter dem Erlaubnisvorbehalt der TV-Sender stehen und nur noch im Einzelfall durch den Nutzer veranlasst werden können. Funktionen wie Bild-in-Bild oder Split-Screen, bei denen der Nutzer zwei Programme gleichzeitig ansehen kann, wären nach dem jetzigen Wortlaut somit nicht mehr ohne die ausdrückliche Erlaubnis der beteiligten Sender zulässig. Dies ist durchaus in deren Interesse, wird die Bild-in-Bild-Funktion doch hauptsächlich dazu genutzt, Werbeblöcke auf dem geschauten Sender durch das Verfolgen eines zweiten Programminhalts zu überbrücken ohne dabei Gefahr zu laufen, den Wiederbeginn des primären Programminhalts zu verpassen. Solche Reklame-Vermeidungsstrategien sind gerade den Privatsendern ein Dorn im Auge, da deren Geschäftsmodell auf diesen Werbeeinnahmen fußt. Weil die TV-Sender massiv in ihr Programm investiert haben und dabei auch regulatorische Vorgaben erfüllen müssen, ist es verständlich, dass sich die Länder in dieser Frage auf ihre Seite stellen und das Geschäftsmodell der Inhalteanbieter und damit letzten Endes auch die Medienvielfalt schützen. Im SATVISION-Interview äußerte die Staatskanzlei NRW zudem als weitere Begründung für das Verbot einer Überblendung des Rundfunksignals und der Inhalte ohne Zustimmung der Sender, dass Einblendungen zu kommerziellen Zwecken durch Dritte, sprich Gerätehersteller bzw. Plattformanbieter, auf diese Weise verhindert werden sollen.

Dennoch stellt sich die Frage, ob sich die Einschränkung einer bei vielen Nutzern beliebten Komfortfunktion für die TV-Sender am Ende nicht als Pyrrhussieg herausstellen wird, wenn TV-Oberflächen dadurch gegenüber mobilen Endgeräten ins Hintertreffen geraten und sich der Trend weg vom klassischen TV (siehe oben „Wussten Sie schon“) gerade in der jüngeren Altersgruppe weiter verstärkt. Vor allem mit Hinblick auf die häufig auf Smartphones oder Tablets konsumierte Konkurrenz der Streaming-Dienste, die entweder ohnehin werbefrei sind oder wo andernfalls auf dem mobilen Endgerät problemlos mehrere Inhalte parallel eingeblendet werden können, wirkt das lineare Privatfernsehen so vergleichsweise unkomfortabel.

Andreas Gerhardt, Director Distribution/Regulierung von SPORT1 (Foto: © Sport 1)
Andreas Gerhardt,
Director Distribution/Regulierung von SPORT1
(Foto: © Sport 1)

Nachgehakt

Wir sprachen mit Andreas Gerhardt, Director Distribution/Regulierung von SPORT1.

Logo SPORT1

SATVISION: Wie ist die grundsätzliche Auffassung von SPORT1 gegenüber dem Entwurf zum Medienstaatsvertrag und welche Punkte sehen Sie besonders kritisch?

Andreas Gerhardt: Es ist essenziell für uns, dass im Medienstaatsvertrag der Zugang zu und die Auffindbarkeit von Plattformen für uns Anbieter gewährleistet sind. Um die bestehende Vielfalt in Deutschland zu erhalten, braucht es einen regulatorischen Schutz der Anbietervielfalt über den Medienstaatsvertrag. Denn Meinungsvielfalt ist nur über Angebots- und Anbietervielfalt sichergestellt. Der bisherige Entwurf umfasst bereits viele gute Aspekte wie die Einbeziehung von Benutzeroberflächen und Intermediären oder dass Türen für eine privilegierte Auffindbarkeit von Rundfunk geöffnet werden. Ein paar Punkte sind allerdings nachbesserungsbedürftig.

SATVISION: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Änderungs-/Nachbesserungswünsche?

Gerhardt: Dass Zugangs- und Belegungsvorschriften zwischen infrastrukturgebundenen und nicht infrastrukturgebundenen Plattformen differenzieren, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Kriterien zur Belegung müssen stattdessen für alle Medienplattformen mit gewisser Meinungsrelevanz gelten, die Rundfunk transportieren. Es muss eine Möglichkeit geben, dass jemand eingreift, wenn für den grundgesetzlich geschützten Rundfunk ein Engpass entsteht, weil eine Plattform nur bestimmte Sender anbieten möchte. Dies sollte normalerweise über die ZAK laufen. Alle Programme, auch die von Spartensendern, müssen im dualen System einen gesicherten Zugang zu Plattformen haben über eine Vielfaltsentscheidung der Landesmedienanstalten. Zudem ist es essenziell für uns, dass alle Sender, auch Spartensender, die Möglichkeit haben, an der privilegierten Auffindbarkeit teilzuhaben.

SATVISION: Sie haben sich mit anderen Anbietern kleinerer TV-Programme zusammengeschlossen, um Ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass die vorgebrachten Vorschläge in die endgültige Fassung des Medienstaatsvertrages einfließen?

Gerhardt: Unser gemeinsames Ziel ist es, die Anbietervielfalt zu gewährleisten. Diese Zielsetzung können wir mit mehr Nachdruck verfolgen, wenn wir uns zusammenschließen. Natürlich bin ich auch Realist und es wird schwierig werden, unsere Punkte noch im Medienstaatsvertrag unterzubringen. Aber ich glaube an unsere Vorschläge und werde weiterhin dafür kämpfen.

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