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Linux-Multimedia-PC

02. Juni 2012

Ein Multimedia-PC fürs Wohnzimmer ist eine feine Sache. Die winzigen, leisen Modelle (siehe z.B. Testbericht zu Shuttle Mini-PC XS35GT in der SATVISION Ausgabe Januar 2011) lassen sich meist unsichtbar platzieren und beeindrucken mit ihrem nahezu grenzenlosen Funktionsumfang. So ersetzen sie auf Wunsch nicht nur DVD- und Blu-ray-Player, DVB-T-Empfänger, Satellitenreceiver, Videorecorder und Radio, sondern bringen durch die Zugriffsmöglichkeit auf Online-Medieninhalte und die komfortable Verwaltung sowie Speicherung riesiger Musik- und Filmsammlungen frischen Wind in die Wohnzimmerunterhaltung. Das Betriebssystem Windows 7 hält mit seinem integrierten „Windows Media Center“ eine geeignete Softwarelösung bereit. Doch es gibt auch kostenlose Alternativen.

Wer seinen Wohnzimmer-PC, auch HTPC (Home Theatre PC) genannt, mit vorinstalliertem Windows 7 erwirbt, kann getrost auf das dort integrierte Windows Media Center (7MC) zurückgreifen.

Microsofts solide Multimedia-Softwarelösung beherrscht alle wichtigen Funktionen und präsentiert sie in einer intuitiven Benutzeroberfläche. Die Unterstützung für Geräte (Laufwerke, Tunerkarten, Speichermedien, Fernbedienungen, etc.) ist vorbildlich und alle benötigten Mediencodecs sind bereits enthalten. Der Haken? Die Kosten für Windows 7 machen den Computer nicht selten um bis zu 30 % teurer. Wer noch eine ältere Windows Version (XP oder Vista) besitzt, kann durch Verzicht auf das Betriebssystem bei der Anschaffung des Wohnzimmer-PCs rund 100 Euro sparen. Denn auch mit kostenlosen Softwarepaketen lässt sich mit wenig Aufwand eine komfortable, individuelle Multimediazentrale realisieren.


MediaPortal – Das Allroundtalent

Screen Multimediacenter MediaPortal
Das kostenlose Open Source Media Center hat einen ähnlich großen Funktionsumfang wie Microsofts 7MC. Fernsehen, Radiohören, Sendungen aufzeichnen und zeitversetztes Fernsehen (Time-Shift) sind dabei die zentralen Features des Systems. Für das Abspielen von Blu-ray-Discs ist es erforderlich, einen externen Player (z.B. PowerDVD) einzubinden. Interessante Multi-Room-Anwendungen ermöglicht der Betrieb als Medien-Server. Dabei kann jeder PC im Heimnetzwerk auf die TV- und Radioprogramme, aller angeschlossenen oder eingelegten Medien sowie auf die Musik- und Videosammlung des Wohnzimmer-PCs zugreifen. Auf den vernetzten Gast-PCs muss dafür lediglich die normale Media Portal Software installiert und bei der Erstkonfiguration der Modus „Client“ ausgewählt werden. Selbstverständlich kann auch der Wohnzimmer-PC im Client-Modus betrieben werden und kommt dann sogar ohne eigene TV-Karte aus, sofern ein anderer Computer im Netz als Mediaportal-TV-Server fungiert.

Eine Spezialität von MediaPortal ist die individuelle Erweiterungsmöglichkeit des Systems durch Plugins. Nach Installation der entsprechenden Erweiterung beherrscht MediaPortal UPnP (Universal Plug and Play) und kann somit als UPnP-Mediaserver die gespeicherte Video- und Musiksammlung auch allen kompatiblen Geräten im Netz zur Verfügung stellen. Das können entweder Computer sein, auf denen eine Client-Software läuft, oder spezielle Endgeräte wie UPnP-Stereoanlagen und diverse Medienplayer. Die Erweiterungen „TV Series“ und „Moving Pictures“ sorgen beispielsweise dafür, dass zu gespeicherten Videodateien automatisch umfangreiche Informationen (Handlung, Schauspieler, Produktionsdaten, etc.) sowie Bilder und Filmposter aus dem Internet abgerufen werden und künftig beim Stöbern in der Mediensammlung zur Verfügung stehen. Mit dem Plugin „Online Videos“ erhält die Multimediazentrale ihre besonders wertvolle und vielseitige IPTV-Fähigkeit: Die Mediatheken von ARD, ZDF, BR, NDR, Sat1, Kabel1, Pro7, 3sat, MTV sowie die Inhalte von Youtube, Google Videos und vielen weiteren Streaming-Seiten werden in die Benutzeroberfläche von MediaPortal eingebunden und können von dort aus bequem ausgewählt und abgespielt werden. Eine weitere Besonderheit: Zahlreiche „Skins“ verleihen der Benutzeroberfläche auf Wunsch im Handumdrehen einen komplett neuen Look.

MediaPortal
» www.team-mediaportal.de

PRO TV-Empfang, Aufnahmefunktionen
CONTRA Wichtige Funktionen erst durch Plugins verfügbar (UPnP-Server, Web-Streams), Blu-ray-Wiedergabe nur mit zusätzlicher Software

 


XBMC – Die allesfressende Jukebox

Screen Multimediacenter XBMC
XBMC steht für Xbox Media Center und wurde ursprünglich als inoffizieller Software-Hack für Microsofts Spielekonsole bekannt. Die erste Xbox ließ sich dadurch in einen durchaus brauchbares Multimedia-Abspielgerät verwandeln. Da die Hardware der Xbox 1 mit ihrem 733 MHz Prozessor mittlerweile in die Jahre gekommen ist und insbesondere bei HD-Material die Segel streicht, unterstützt XBMC die Konsole in der aktuellen Version „Dharma“ nun nicht mehr und konzentriert sich stattdessen auf Multimedia-PCs. Was Video- und Audio-Formate angeht, ist ein Wohnzimmer-PC mit XBMC ein wahrer Allesfresser. Das Programm ist bereits mit allen notwendigen Codecs ausgestattet, es müssen also unter Windows keinerlei Codec-Pakete installiert sein. Eine weitere Stärke von XBMC ist die ausgereifte Katalogisierungsfunktion für die private Video- und Musiksammlung. Das System durchsucht und analysiert die gespeicherten Dateien eigenständig und erstellt mithilfe von Informationen und Bildern aus dem Internet eine optisch ansprechende, übersichtliche virtuelle Bibliothek.

Im Gegensatz zu MediaPortal beherrscht XBMC UPnP ohne zusätzliches Plugin. UPnP-Server oder Client werden im Menü Einstellungen / Netzwerk aktiviert. Als zentraler Medienserver macht ein XBMC-PC daher eine besonders gute Figur. Der Zugriff auf die Streaming-Angebote von ARD, ZDF, 3sat, ARTE, BR, RTL, ORF, Youtube, Google Video, Daily Motion und viele mehr wird durch spezielle Add-Ons ermöglicht. Wer an diesem umfangreichen IPTV-Angebot Gefallen findet, verschmerzt vielleicht sogar XBMCs größtes Manko: Herkömmliches Fernsehen mittels Tunerkarten oder USB-Adapter wird nicht unterstützt. Das mag auf den ersten Blick nicht unbedingt als großer Nachteil erscheinen, da sich DVB-T, Kabel- oder Satellitenfernsehen ja trotz vorhandenem Wohnzimmer-PC immer noch über den Tuner des Fernsehers oder Receivers nutzen lassen. Doch ohne TV-Unterstützung ist das XBMC-System auch nicht in der Lage, als Videorecorder zu fungieren. Wer auf Aufnahmefunktionen und zeitversetztes Fernsehen Wert legt, muss sich also entweder für eine Media-Center-Software entscheiden oder zusätzlich zu XBMC eine separate Windows-Anwendung für das Abspielen und Aufnehmen von Fernsehsignalen installieren. Wie bereits von MediaPortal bekannt, ist auch XBMC durch zahlreiche Scripts flexibel erweiterbar. Für einen optischen Neuanstrich der Benutzeroberfläche stehen attraktive Skins zur Verfügung. Leider muss – wie auch MediaPortal – die Blu-ray-Funktion durch einen externen Player nachgerüstet werden.

XBMC
» www.xbmc.org

PRO UPnP-Server, Katalogisierungsfunktion, breite Formatkompatibilität
CONTRA Keine Unterstützung für TV-Karten, Blu-ray-Wiedergabe nur mit zusätzlicher Software

 


Boxee – Das soziale Media-Center

Screen Multimediacenter Boxee
Boxee entstand vor ca. zwei Jahren als modifizierte Version von XBMC. Mittlerweile hat sich Boxee durch die Ausrichtung auf soziale Vernetzung einen eigenen Namen gemacht und konnte aus dem Schatten des großen Bruders treten. Deutlich wird die Verwandtschaft noch bei der fehlenden TV-Unterstützung: Mit DVB-T-Sticks oder Tunerkarten für Satellitenfernsehen weiß Boxee nichts anzufangen. Kompensiert wird diese Schwäche allerdings durch die explizite Spezialisierung auf Web-TV-Inhalte. Es wurden nicht nur die großen sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter intergriert, sondern auch eine eigenständige Boxee-Community geschaffen, an der jeder Nutzer der Software automatisch teilnimmt; denn ohne Anmeldung mit dem Benutzernamen und Passwort eines Accounts lässt sich die Software überhaupt nicht einrichten. Wer später im Betrieb, etwa um seine Privatsphäre zu schützen, nicht mit dem Boxee-Netz verbunden sein will, muss mangels Offline-Modus die Internetverbindung des PCs deaktivieren oder den Netzwerkstecker ziehen. Boxee ist also ohne Zweifel für Fans sozialer Netzwerke gedacht, die den Austausch mit anderen Nutzern ausdrücklich wünschen. Und wer einmal Blut geleckt hat, wird diesen Aspekt der sozialen Multimedia-Zentrale nicht mehr missen wollen. Die Community-Features erfüllen nämlich gerade wegen des explosionsartig wachsenden Angebots an Web-TV-Inhalten eine extrem nützliche Funktion: Durch die Empfehlungen und Bewertungen der anderen Nutzer, entsteht eine umfassende, individualisierte Programmzeitschrift, die eine Orientierung im IPTV-Dschungel deutlich erleichtert.

Seinem Ruf als Online-Spezialist unter den Multimedia-Centern macht Boxee mit zahlreichen klugen Web-Funktionen alle Ehre. So können die Nutzer beispielsweise mit Hilfe des „Bookmarklets“ für Firefox, Internet Explorer und Safari von jedem beliebigen Computer mit Internetanschluss Videos auswählen, die dann automatisch am Wohnzimmer-PC verfügbar sind. Stößt man beispielsweise beim Surfen mit dem Laptop auf ein interessantes Youtube-Video, lässt sich dieses durch einen simplen Mausklick für das spätere Ansehen auf dem Boxee-System vormerken. Manche Internetseiten versuchen zu verhindern, dass Multimedia-Zentralen im Wohnzimmer ihre Video- bzw. Audiostreams abspielen und beschränken den Zugriff deshalb auf reine Webbrowser. Denn nur bei der Wiedergabe der Videos im Webbrowser ist sichergestellt, dass z.B. auch Werbebanner angezeigt werden. Boxee umgeht die lästigen Sperren geschickt, indem es sich einfach dem Dienstanbieter gegenüber als Web-Browser (z.B. Firefox oder Internet Explorer) ausgibt. Einige Web-TV-Sender sind nur für Bewohner einer bestimmten Region (z.B. USA oder Deutschland/Österreich, Großbritannien/Irland) vorgesehen. Der in Boxee integrierte VPN-Client ermöglicht es sogar, dieses so genannte „Geoblocking“ zu umgehen, indem einfach mit einer ausländischen IP gesurft wird. Für den IPTV-Anbieter erscheint man dadurch als Inländer und die Sperre greift nicht. Da kein UPnP-Server vorhanden ist, eignet sich ein Boxee-Wohnzimmer-PC nicht als zentraler Speicherort für eine Video- und Musiksammlung. Die anderen Media-Center-Programme haben in diesem Bereich eindeutig die Nase vorn. Blu-rays lassen sich leider nur durch einen externen Player abspielen, der sich jedoch mithilfe der so genannten „Launcher-App“ nahtlos in die Benutzeroberfläche von Boxee integriert.

Boxee
» www.boxee.tv

PRO Community/soziale Netzwerke, Mechanismen gegen Sperren bei Web-TV
CONTRA Kein UPnP-Server, Blu-ray-Wiedergabe nur mit zusätzlicher Software

 


Fazit

multimediacenter fazit
Jeder der drei kostenlosen Kandidaten wartet mit interessanten, kreativen Funktionen auf. Wegen der sehr unterschiedlichen Schwerpunkte im Funktionsumfang ist es allerdings ratsam, ein klares Bild davon zu haben, welche Aufgaben das Multimedia-Zentrum im Wohnzimmer erfüllen soll.

Für herkömmliches Fernsehen (DVB-T, Satellit, Kabel) und entsprechende Aufnahmefunktionalität empfiehlt sich MediaPortal. Auch für den Betrieb als zentraler Medienserver eignet sich MediaPortal nach der Nachrüstung der UPnP-Unterstützung durch ein kostenloses Plugin. Steht allerdings die Server-Funktion und das Abspielen von lokal gespeicherten Medien im Mittelpunkt, ist XBMC die Anwendung der Wahl. Der UPnP-Server ist hier bereits integriert und nahezu alle Video- und Audio-Formate werden ohne umständliches Nachbessern problemlos abgespielt. TV-Empfang mittels Tunerkarten unterstützt XBMC dagegen nicht. Nutzer von Online-Streams und IPTV werden Boxee lieben. Die Boxee-Community und die Einbindung von Facebook und Twitter erleichtert durch die Empfehlungen und Bewertungen der anderen Nutzer die Orientierung im Dschungel der Web-TV-Angebote. Mit Boxee ist wie bei XBMC kein herkömmliches Fernsehen möglich und auch als Server eignet sich das soziale Media-Center kaum.

Die Wiedergabe von Blu-ray-Discs ist bei allen kostenlosen Media-Centern wegen der Verschlüsselung bislang nur mit separater Abspiel-Software möglich. Da sich die externen Anwendungen allerdings gut (durch Plugins oft nahtlos) in die jeweiligen Nutzeroberflächen der Media-Center integrieren lassen, hält sich der Schaden in Grenzen.

 

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