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Telekommunikationsverbände fordern Gesamtstrategie der Bundesregierung für Gigabit-Gesellschaft

07. September 2016

Haushalte und Unternehmen in Deutschland benötigen nach Auffassung der führenden Telekommunikationsverbände ANGA, BREKO, BUGLAS und VATM sowie des FTTH Council Europe bis spätestens 2025 im Festnetz wie für die mobile Nutzung Gigabit-Bandbreiten. Diese müssen sowohl in dichter besiedelten Regionen wie auch im ländlichen Bereich zur Verfügung stehen. Gigabitfähig sind im Festnetz Glasfasernetze, die bis in die Gebäude (FTTB Ethernet oder G.Fast) oder bis in die Wohnung (FTTH) reichen, sowie Kabelnetze (HFC) auf Basis des neuen Übertragungsstandards DOCSIS 3.1, im Mobilfunk die Netze der 5. Generation (5G).

Anlässlich ihres heute in Berlin stattfindenden zweiten Breitbandsymposiums „Der Weg in die Gigabit-Gesellschaft“ sprechen sich die Verbände in einem gemeinsamen Thesenpapier für eine konsistente Gigabitstrategie der Bundesregierung aus, die die Breitbandpolitik über 2018 hinaus fortentwickelt und auf nachhaltigem Wettbewerb als zentraler Grundlage aufsetzt. Sie hatten bereits im vergangenen Jahr mit ihrer gemeinsamen Initiative Impulse für eine Neujustierung der deutschen Breitbandpolitik gegeben. Der bereits seinerzeit bestehende Handlungsdruck hat sich nach Auffassung der fünf Verbände angesichts der Entwicklungen der vergangenen Monate und des anstehenden Wahljahres 2017 weiter verstärkt. Ein Beharren der Bundesregierung auf den bisherigen Zielen der Breitbandpolitik könne daher für die stärkste Volkswirtschaft Europas keine Alternative sein.

„Wir erleben gerade eine digitale Revolution. Bald werden nicht mehr nur unsere Smartphones und Tablets, sondern im Grunde alles, was wir nutzen – von Autos, Ampeln bis hin zu Kühlschränken – von der Verfügbarkeit extrem hochleistungsfähiger Internetverbindungen abhängen“, sagt Erzsebet Fitori, Director General des FTTH Council Europe. „Gigabitnetze werden im Alltag der Menschen und der Unternehmen unerlässlich sein. Ohne sie wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft leiden.” Und es geht dabei nicht nur um die Bandbreiten, sondern auch um zusätzliche Qualitätsparameter wie beispielsweise Latenz, Paketverlust und Verfügbarkeit, fügt sie hinzu. „Glasfaserbasierte Netzanbindungen sind die Grundlage für das Digitale Zeitalter. Deshalb sollte der Ausbau im Wettbewerb ganz oben auf der politischen Agenda stehen”, bekräftigt Fitori.

„Über VDSL und Vectoring angebotene Bandbreiten und Qualitätsparameter reichen bestimmten Nutzergruppen schon heute nicht mehr aus“, unterstreicht VATM-Präsident Martin Witt. „Dieses Nachfrage-Segment, das belegen aktuelle Studien des WIK, wird in den kommenden Jahren durch die weiter zunehmende Digitalisierung und Vernetzung erheblich anwachsen. Wenn wir den Bandbreiten-Bedarf und die Nachfrage nach anderen Qualitätsparametern auch künftig abdecken wollen, müssen wir den Ausbau der Gigabit-Netze erheblich beschleunigen, und zwar im Wettbewerb.“ Die alternativen Netzbetreiber bauten, so Witt, hierzulande bereits heute etwa dreimal so viel an zukunftsfähigen  Kommunikationsinfrastrukturen aus, die Gigabit-Bandbreiten ermöglichen, als dies durch den Ex-Monopolisten erfolge.

ANGA-Vorstandsmitglied Dr. Wolf Osthaus betont die Bedeutung privatwirtschaftlicher Investitionen für den Netzausbau und fordert deshalb einen investitionsfreundlichen Ordnungsrahmen: „Infrastrukturwettbewerb bleibt der wichtigste Antrieb für einen effizienten Ausbau, bestmögliche Anschlussqualität beim Kunden und die Entwicklung innovativer Dienste. Die alternativen TK-Anbieter investieren jährlich rund 4,2 Mrd. Euro in ihre Netze. Die Politik sollte daher auch zukünftig auf Wettbewerb und eigenwirtschaftlichen Ausbau von Gigabit-Netzen setzen.“

„Wir brauchen in Deutschland schnellstmöglich über das Jahr 2018 hinausreichende, ehrgeizige Infrastrukturziele“, macht BUGLAS-Vorstandsmitglied Patrick Helmes klar. „Dabei kommt der Glasfaser als Basis-Infrastruktur die zentrale Rolle zu. Sie muss unabhängig von der jeweiligen Anschlusstechnologie so flächendeckend wie möglich ausgerollt werden. Eine nachhaltige Gigabit-Strategie unterscheidet auf Basis verlässlicher Leitlinien sinnvolle Zwischenschritte auf diesem Weg von Übergangslösungen, die den Investitionswettbewerb behindern oder verzögern.“ Langfristigen Ausbauzielen und nachhaltigem Wettbewerb sei eindeutiger Vorrang einzuräumen, damit die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleiben und die Chance der Digitalisierung für Unternehmen ebenso wie für die Bevölkerung genutzt werden könne.

Für die Beibehaltung der SMP-Regulierung („significant market power“ – Regulierung des marktbeherrschenden Unternehmens) und einen stabilen und langfristig angelegten Regulierungsrahmen spricht sich BREKO-Vorstandsmitglied Karsten Schmidt aus. „Nicht nur in Deutschland, sondern gerade auch auf EU-Ebene brauchen wir ein klares Bekenntnis zu Wettbewerb und zum Ausbau Gigabit-fähiger Netze im Rahmen der Überarbeitung des europäischen TK-Rechtsrahmens.“ Äußerst kritisch sieht Schmidt, dass die alternativen TK-Netzbetreiber durch das weitgehende exklusive Ausbaurecht für Vectoring im Nahbereich zugunsten des Ex-Monopolisten aus der eigenen Wertschöpfung gedrängt und stattdessen auf virtuelle Vorleistungsprodukte verwiesen werden: „Damit wird der Infrastrukturausbau im Wettbewerb in keiner Weise gefördert. Der Wegfall des physischen Zugangs zur letzten Meile ist nach heutigem Stand nicht zu kompensieren.“

Die Förderpolitik in Deutschland bedarf nach Auffassung der Verbände einer neuen Grundlage. So sprechen sich Fitori, Witt, Osthaus, Helmes und Schmidt dafür aus, Gigabit-fähige Technologien und Betreibermodelle in Förderverfahren zu bevorzugen und eine Überbauung vorhandener NGA-Netze mit Hilfe von Fördermitteln zu verhindern. Die Verbände begrüßen einhellig die explizite Aufnahme des Anschlusses von Gewerbegebieten in den Förderkanon mit Gigabit-Bandbreiten, kritisieren aber, dass genau dies in Brüssel nicht notifiziert wurde. So scheitere auch hier eine Gigabit-Förderung dort, wo 0,03 Gigabit/Sekunde erreicht würden. Da es sich bei den Fördergeldern um Mittel der öffentlichen Hand handele, sei die Wirksamkeit der Programme auf Bundes- und Landesebene in einem transparenten Monitoring nachzuverfolgen.

Die Verbände bewerten die Absicht der EU positiv, sogenannte Over-the-top-Dienste (OTTs, zum Beispiel Messenger-, Streaming- oder Videotelefonie-Dienste) für die Chancengleichheit auf der Dienste-Ebene – also in den Bereichen Kunden- und Datenschutz sowie öffentliche Sicherheit – in die Regulierung mit einzubeziehen. Die Schaffung gleicher Regeln für vergleichbare Dienste dürfe jedoch nicht zu einer Deregulierung des Netzzugangs missbraucht werden. Schließlich seien die OTTs in Deutschland nicht auf der Netzebene präsent und träten somit hier auch nicht in Wettbewerb mit den TK-Netzbetreibern.

Mit ihrem gemeinsamen Thesenpapier und dem 2. Symposium Breitbandpolitik wollen die beteiligten Verbände Impulse für die breitbandpolitischen Zielsetzungen im Wahljahr 2017 setzen.

Quelle: www.anga.de

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